Jugend vs. Erfahrung – Coenen vs. Febvre

Die beiden MXGP Piloten Febvre (links) & Coenen (rechts)

MXGP: Kampf der Generationen - Coenen (re.) vs Febvre

Wer kann sich noch an die guten alten Zeiten rund ums Karten-Quartett erinnern? Von Flugzeug über Motorrad bis hin zum Traktor gab es alles Erdenkliche. Das Abchecken der Leistung und das Herausfinden der Stärken war der Schlüssel zum Erfolg des beliebten Kartenspiels.

Was sich beim Kartenspiel allerdings auf nur eine Fähigkeit reduziert, trifft logischerweise bei uns im Sport nicht zu. Dennoch wagen wir den Versuch. Wir machen einen kleinen Vergleich zwischen den momentanen Spitzenreitern der MXGP: Romain Febvre und Lucas Coenen … und eventuell grätscht noch eine kleine Überraschung rein.

Damit wir uns nicht in den zahlreichen Eigenschaften verlieren, haben wir uns für zwei prägende der beiden Akteure entschieden. Es trifft wilde jugendliche Fitness eines LC96 auf die berechnende Erfahrung eines RF3. Ein paar wenige Querfaktoren werden uns aber im weiteren Verlauf trotzdem begleiten.

Was spricht also momentan für Coenen?

Lucas Coenen schlägt ein wie eine Bombe, und das ist nicht einfach so mit einem Schulterzucken hinzunehmen. Als 19-Jähriger bewegt er als Rookie die 450er auf eine sehr kontrollierte Weise. Er macht dabei keine Anstalten eines Lehrjahrs oder lässt auch nur einen Zweifel aufkommen, dass er das Teil nicht unter Kontrolle hat. Des Weiteren behält er auch an der Spitze einen kühlen Kopf und kann dem Druck von Febvre und Co. absolut standhalten. Er strahlt die jugendliche Naivität und Coolness aus, die ihn auf der Strecke sein Ding machen lässt. Hinzu kommt, dass er sich technisch nicht hinter Kalibern wie Prado oder Herlings verstecken braucht. Die Stärke: jugendlicher Freigeist.

Was spricht für Febvre?

Febvre könnte mit Lucas Coenen auf ein Ebenbild seiner selbst treffen. So war es Febvre im Jahr 2015, der den routinierten Piloten als Rookie das Fürchten lehrte. Damals wurde er Weltmeister im ersten Jahr auf der 450er. Genau das bringt uns auf den Punkt der Erfahrung zurück. Der 33-Jährige weiß, wie es Coenen gehen könnte, und reflektiert die Situation. Der Franzose steckt mittlerweile in seiner 10. MXGP-Saison und hatte wahrlich eine Menge Treffer erlitten, die ihn am Ende stärker machten. Das Rennen lesen und in den nötigen Situationen richtig zu reagieren, gehört definitiv zu den entscheidenden Fähigkeiten im Kampf um die Krone. Romains schärfstes Schwert: nur bis zur Grenze und nicht hinweg.

Querfaktoren

Nun kommen wir zu den zahlreichen Querfaktoren, die individuell auf die Fahrer einwirken, aber nur schwer einzuschätzen sind: die Verletzungen der vergangenen Jahre. Während ein Jungspund wie Coenen noch nicht viel einstecken musste, ist die Liste von Brüchen bei Febvre über die Jahre ziemlich angewachsen. Hinzu kommen ständige Kleinigkeiten, die symptomatisch behandelt und nicht auskuriert werden.

Druck gibt es immer im Leistungsbereich, das ist nichts Neues, allerdings könnte der Unterschied beim Preis nicht größer sein: Während Coenen um seinen ersten Meilenstein als Weltmeister kämpft, kämpft Febvre womöglich um seine letzte Chance dafür.

Als Letztes haben wir uns noch für die Fitness entschieden. Im sportwissenschaftlichen Bereich kann man grob davon ausgehen, dass das Leistungslevel zwischen 27 und 30 Jahren am höchsten ist. Coenen sollte von seinem Zenit entfernt sein und Febvre darüber hinweg.

Achtung, Überraschung:

Hier kommt der Fahrer, der tatsächlich einiges der beiden Männer vereint und der allem Anschein nach das ganze Ding bis Frauenfeld auch vollkommen im Griff hatte: Tim Gajser. Er wurde mit 19 als Rookie Weltmeister, ist technisch nicht weniger brillant und hat einen gewaltigen Erfahrungsschatz. Zufälligerweise ist er im perfekten Alter und weiß, wie man WM-Titel gewinnt und verteidigt. Ohne mit der „Hätte-Wenn-und-Aber“-Keule zu wedeln: Seine Daten klingen momentan fast zu perfekt. Allerdings kennen wir ja alle unseren geliebten Sport und wissen, dass ein Blinzeln auch den noch so perfekten Fahrer aus der Bahn wirft. Der alleinige Durchmarsch blieb aus – und das ist gut so, denn weder Febvre noch Coenen konnten es mit dem Slowenen aufnehmen. Und nein, liebe Deutschfanatiker: Es bedarf keiner freien Interpretation des letzten Satzes.

Momentan liegt Coenen 32 Punkte hinter Kawasakis Febvre. Bei noch acht ausstehenden Rennen, wird sich also noch die eine oder andere Möglichkeit des Führungswechsel anbieten können. Mal sehen was wird..was wird.