1. Mai-Moto-Cross – ein Topereignis am Niederrhein 

Ken Roczen startete 2008 beim Motocross am Eyller Berg.

Ken Roczen startete 2008 beim Motocross am Eyller Berg. / Foto: Roland Beyer

Wenn am 1. Mai beim Motocross in Kamp-Lintfort mit Getöse die Startmaschine fällt, Sand, Steine, und Schlamm aufwirbeln, Mensch und Maschine mit unglaublich akrobatischen „Freiflugeinlagen“ nach dem Massenstart durch die Luft segeln, ist es auch Zeit zurückzublicken.

Der Motorclub Kamp-Lintfort hat mit seinen Rennaktivitäten auf dem Eyller-Berg-Kurs zweifelsohne Motorradsport-Geschichte geschrieben. Die dann 70 Veranstaltungen haben insgesamt weit über eine halbe Millionen Zuschauer aus allen Teilen Deutschlands und dem benachbarten Ausland an den Niederrhein ziehen können. In der Spitze waren bei einem einzigen Rennen sogar über 30.000 und mehrfach 20.000 Zuschauer zum Eyller Berg gepilgert. 

Seit Jahrzehnten steht das traditionelle Motocross sportlich auf höchsten Niveau. Kommende und amtierende Europa- oder Weltmeister gaben ihre Visitenkarte am Niederrhein ab. 

Wie alles begann

Trotz aller Sorgen und Nöte der Menschen kurz nach dem 2. Weltkrieg war das Interesse am Motorsport unter den Kamp-Lintfortern immer noch vorhanden. So wurde der „Motorclub 1950“ gegründet. Nach  Teilnahme des Vereins an einer öffentlichen Motorsportveranstaltung 1951 beim Straßenwettbewerb „Rund um Friedrich Heinrich“ für Motorräder, Motorräder mit Seitenwagen und Automobile, kam
bereits 1952 kam der Wunsch auf,  eine eine eigene Motorsportveranstaltung durchzuführen. Am 26. Februar 1952 startete bereits eine Maschine zu Testzwecken im Renntempo auf der Kamp-Lintforter Pferderennbahn, unterhalb der Mauern des Klosters Kamp.

Nach der Präparierung der Pferderennbahn zur Motorsportpiste fand am 29. Juni 1952 das „1. Nationale Grasbahnrennen für Motorräder“ in Kamp-Lintfort vor 6000 Zuschauern statt.
Die Sieger in den 5 Klassen kamen eigentlich aus einer anderen, erst seit 1951 in Deutschland eingeführten Motorsportdisziplin: dem Motocross. So war es keine Überraschung, dass das Interesse zur Veranstaltung eines Moto-Cross-Rennens geweckt wurde. 

Das erste Moto-Cross am 1. Mai 1953 

Dazu musste ein geeignetes Gelände gefunden werden. Mit der Unterstützung der Stadt Kamp-Lintfort und der Zeche Friedrich Heinrich wurden die organisatorischen Voraussetzungen geschaffen, um auf dem brachliegenden Eisenbahngelände am Eyller Berg eine Motocrossbahn entstehen zu lassen. So wurde das Gelände von der Gruppe um Paul Heiermann größtenteils in Handarbeit so gestaltet, dass der ca. 910 m lange Rundkurs mit Sprunghügeln, Auf- und Abfahrten den Bedürfnissen des Sports und den zu erwartenden Zuschauermassen genügte. Die künstlich angelegten Sprunghügel sorgten für eine gute Show, die von den Zuschauerplätzen optimal beobachtet werden konnte.

Zum ersten Rennen auf dem Eyller-Berg-Kurs kamen 49 Fahrer und 10.000 Zuschauer, die bei schönem Wetter einen abwechslungsreichen Renntag erlebten. Im Laufe der Jahre wurden die Motocross-Maschinen immer professioneller, so dass die Bahn stetig an neue Anforderungen durch Veränderungen von Kurven und Sprüngen angepasst wurde. Auch die Streckenlänge wuchs auf 1680 Meter. 

Rasante Entwicklung des 1.Mai-Rennens in den 50er Jahren 

Motocross Rennen 1955 am Eyller Berg
Motocross Rennen 1955 am Eyller Berg / Foto: Archiv mckali

Auf einer weiter verbesserten Bahn gingen 1954 beim Gaueröffnungsrennen 63 Fahrer vor 20.000 Zuschauern an den Start. 

Der Ruf der Veranstaltung war mittlerweile so gut, dass zum Rennen 1956 Zuschauer aus England, Holland, Belgien, Frankreich und der Schweiz den weiten Weg bis zum Eyller Berg in Kauf nahmen, um die Rennen zu erleben. 

Einen weiteren Zuschauerrekord gab es beim Gaumeisterschaftsrennen 1956 mit 25.000 Besuchern. Diese Zahl wurde nur noch 1958 beim ersten Deutschen Meisterschaftslauf überboten. Hier drängten sich über 30.000 Zuschauer um die Rennstrecke. Diese wahre Volksfestveranstaltung sollte auch der Zuschauerrekord in der Vereinsgeschichte bleiben.

Das Rennen am Eyller Berg wurde international 

Weil die damaligen Meisterschaftswettbewerbe an einem Wochenende veranstaltet werden mussten, man aber am 1. Mai festhalten wollte, tat es Not das sportliche Konzept zu ändern, um nicht auf dem Gaumeisterschafts-Niveau stehenzubleiben. Das Rennen am Eyller Berg wurde zu internationalen Veranstaltung aufgewertet.

In den 60er Jahren hatte der Verein durch die große Zahl der Zuschauer auch genügend Geld, um die deutsche Elite der Motocross- und Geländefahrer zu verpflichten und darüber hinaus auch ausländische Stars einzukaufen. Durch diese Maßnahmen gelang es über Jahre hinweg Sport auf höchstem Niveau mit vielen bekannten Namen aus der Weltmeisterschaft auf dem Eyller-Berg-Kurs zu präsentieren und somit das Zuschauerinteresse und damit die Zuschauerzahlen (12.000…15.000) zu konservieren. 

Sportlich beste Jahre 

Aus sportlicher Sicht waren die 70er Jahre bei konstant hohen Zuschauerzahlen die beste Zeit des Vereins. Der ADAC-Motorclub war einer der ersten deutschen Veranstalter, der die neu aufgekommenen, spektakulären Seitenwagenrennen ins Programm aufnahm. So war der 1. Mai für die besten Gespannteams Europas ein fester Termin, sei es für ein Rennen im Rahmen der Inter-Side-Car-Serie oder auch zu einem Europameisterschaftslauf. Auch im Solobereich gab es ein absolutes Topereignis. 1974 ging es für die 125-ccm-Klasse um die Europameisterschaft.

Beim ersten Seitenwagenrennen 1971 wurde gleich ein Europameisterschaftslauf organisiert.
Beim ersten Seitenwagenrennen 1971 wurde gleich ein Europameisterschaftslauf organisiert. Foto: Archiv mckali

Das neue Konzept: Meisterschaft + International 

Trotz aller Anstrengungen konnte die Zuschauerzahl seit den 80-ern nicht mehr über die 10.000-Grenze gebracht werden, was auch zu einem Umdenken in der Kamp-Lintforter Programmpolitik führte. So wurde wieder versucht, nationale Prädikatsveranstaltungen zu erhalten, um die Kosten zu reduzieren und den Zuschauern trotzdem erstklassigen Sport zu bieten. Durch die Öffnung der nationalen Titelwettkämpfe für ausländische Fahrer war es dem Motorclub möglich, die Meisterschaftsklassen mit leistungsstarken Ausländern anzureichern. Oft füllten ein Dutzend Namen WM-erfahrener Piloten die Starterlisten der Solo-Klassen. 
Beim den Seitenwagen- Meisterschaftsläufen war mehrfach die gesamte Weltelite der Dreiradartisten mit von der Partie. 
Aber auch den Motocossern aus der Region wurde häufig ein Start beim Rennen am Eyller Berg in einer eigenen Klasse ermöglicht.

2023: Meisterschaft im Doppelpack

Mit diesem Konzept gibt es auch beim 70. Motocross auf dem Eyller-Berg-Kurs ein hochkarätiges Sportprogramm mit Rennen zur Europa offenen Deutsche Meisterschaft im Doppelpack.
Die Seitenwagenklasse wird sicherlich das sportliche Highlight sein. Die besten deutschen Gespanne streiten gegen internationale Topteams um begehrte Meisterschaftspunkte, Prämien und den Siegerpokal.
In der Solodisziplin stehen die „Big Boys“ der Open-DM am Start. Da ist „Airtime“ angesagt, wenn das 40-köpfige Fahrerfeld mit deutschen wie auch ausländischen Topfahrern vom Startbalken losstürmt und über die mit Sprunghügeln gespickten Piste rast.

Die Zukunftsperspektiven für den Motorsport in Kamp-Lintfort 

Im Jahr 2001 schien durch den neuen Autobahnzubringer, die B 528, das Ende des Landschaftsschutzgebiets und der Motocrossbahn am Eyller Berg besiegelt. Die erste Teilstrecke wurde dann auch vom Autobahnkreuz bis zum Industriegebiet Dieprahm gebaut. Die Bürgermeister von Kamp-Lintfort und Neukirchen-Vluyn drängen schon seit Jahren auf den Bau der 2. Teilstrecke über die Motocrossbahn bis zur B 510. Wie lange das Rennen am 1. Mai noch stattfinden kann, das ist allerdings auch im Jahre 2023 vollkommen ungewiss. 

Text: Roland Beyer