Yamaha-Teamchef: „Wir brauchen fitte Fahrer – nicht nur Mut“

Calvin Vlaanderen ist nach dem MXGP of Great Britain der letzte fitte Yamaha Werkspilot in der MXGP-Klasse

Calvin Vlaanderen ist nach dem MXGP of Great Britain der letzte fitte Yamaha Werkspilot in der MXGP-Klasse

Für das Yamaha-Werksteam war auch bei der zwölften Runde der Motocross-Weltmeisterschaft kein Aufwärtstrend zu erkennen und so verlief das vergangene Rennwochenende alles andere als gut. Während Calvin Vlaanderen mit konstanter Pace zumindest solide Ergebnisse einfuhr, sorgten erneut gesundheitliche Probleme bei Jago Geerts und Maxime Renaux für Unruhe im Team.

Im Interview mit MXGP-Reporterin Lisa Leyland sprach Teammanager Jeremy Fontaine offen über den Zustand seiner Fahrer – und ließ dabei zwischen den Zeilen auch eine gewisse Unzufriedenheit erkennen.

Vlaanderen: Konstanz, aber fehlender Biss

Calvin Vlaanderen zeigte eine saubere und kontrollierte Leistung – doch Fontaines Worte lassen durchblicken, dass mehr erwartet wurde. „Er war sehr konstant, aber uns hat ein bisschen was gefehlt, um den Job zu Ende zu bringen“, so der Teamchef. Vlaanderen habe es nicht geschafft, den Anschluss an die Spitzengruppe zu halten oder ernsthaft Druck aufzubauen: „Alle Fahrer vorne waren sehr schnell – er auch –, aber es geht eben darum, es dann auch zu vollenden.“

Zwischen den Zeilen klingt an, dass Fontaine sich in entscheidenden Rennphasen mehr Aggressivität und Überholwille gewünscht hätte. Die Leistung war solide, aber nicht durchschlagskräftig genug – besonders im Kontext eines Werksteams mit WM-Ambitionen.

Renaux: Zwischen Kampfgeist und Risiko

Deutlich emotionaler sprach Fontaine über Maxime Renaux, der erneut stark angeschlagen ins Rennen ging. „Er hat fast überall Schmerzen. Maxime ist ein Tier – aber er hat Grenzen“, sagte der Franzose. Der Respekt für Renaux’ Einsatzwillen ist spürbar, doch gleichzeitig schwingt Kritik mit: „Wenn man ständig über diese Grenzen hinausgeht, wird es gefährlich.“

Fontaine wirkt hin- und hergerissen: Einerseits bewundert er Renaux‘ Kampfgeist, andererseits macht er deutlich, dass der Grat zwischen Mut und Selbstgefährdung zu schmal wird. Die Aussage, man müsse ihn „vielleicht sogar stoppen“, zeigt, dass sich das Team zunehmend in der Pflicht sieht, Verantwortung zu übernehmen – auch gegen den Willen des Fahrers.

Geerts: Verletzung stoppt den Aufwärtstrend

Auch bei Jago Geerts gab es am Sonntag einen Rückschlag – und diesmal fällt er deutlich aus. Nach einem Sturz im ersten Lauf musste der Belgier das Rennen vorzeitig beenden. Inzwischen liegt die Diagnose vor: ein gebrochener großer Zeh sowie eine Verstauchung des Sprunggelenks.

Geerts selbst kommentierte die Situation mit einem knappen Statement: „Hatte einen heftigen Crash im ersten Lauf. Ergebnis: gebrochener großer Zeh und ein verdrehtes Sprunggelenk. Der Heilungsprozess beginnt – bis bald!“

Für den 24-Jährigen kommt die Verletzung zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Nach schwierigen Monaten hatte er mit dem Gewinn des Quali-Race in Lugo wieder alte Stärke gezeigt. Fontaine äußerte sich zurückhaltend: „Wir hoffen, dass er beim nächsten GP starten kann – aber wir wollen ihn nur fahren lassen, wenn er wirklich bei 100 Prozent ist.“

Die Formulierung unterstreicht die Vorsicht im Team – und kann auch als Signal verstanden werden: Yamaha will verhindern, dass Geerts erneut zu früh zurückkehrt. In der Vergangenheit hatte sich der Belgier häufig selbst unter Druck gesetzt. Fontaine sendet nun ein deutliches Zeichen: Gesundheit vor Ergebnis.

Der Erfolgsdruck wächst – auch aus Übersee

Die Zurückhaltung bei den europäischen Werkspiloten steht zunehmend im Kontrast zu den Erfolgen der US-Kollegen: Bei allen vier bisherigen Rennen der AMA Pro Motocross Serie stand mit Eli Tomac oder Justin Cooper jeweils ein Yamaha-Fahrer auf dem Podium. Diese Resultate erhöhen den Erwartungsdruck spürbar – intern wie extern.

Ein weiteres deutliches Signal: Vertreter von Star Racing Yamaha, dem US-Topteam, waren beim Grand Prix in Matterley Basin vor Ort. Offiziell als Besuch deklariert, dürfte der Auftritt auch als Beobachtung zu werten sein – insbesondere, da die Leistungen der europäischen Yamaha-Piloten zuletzt deutlich hinter den Erwartungen zurückblieben.

Zwischen Anspruch und Realität

Unterm Strich lässt sich festhalten: Fontain bemüht sich um Ruhe, aber die Belastung ist spürbar. Seine Fahrer stehen unter körperlichem und sportlichem Druck, und das Team gerät zunehmend in eine Zwickmühle zwischen Erwartung und Vernunft.

Während Vlaanderen die nötige Konsequenz im Rennen fehlt, drohen Renaux und Geerts erneut, sich durch Übermotivation selbst zu schaden. Gleichzeitig wächst der Druck von außen – nicht zuletzt durch die starke Performance der US-Piloten. Fontaines Zwischenbilanz fällt entsprechend nüchtern aus: „Wir wollen beim GP dabei sein – aber nur unter den richtigen Bedingungen.“