Anton Wass über die KTM-Krise: Wie ein Diktator, der zu lange regiert

Anton Wass, CEO Stark Futukre spricht über die KTM Krise. / Foto: Stark Future
Die Krise bei KTM sorgt in der Motorradbranche weiter für Diskussionen. In einem Gespräch mit Jase Macalpine äußert sich Anton Wass, Gründer von Stark Future, ausführlich zu den Problemen des österreichischen Herstellers. Er zieht dabei Parallelen zu Diktatoren, kritisiert das Missmanagement und wundert sich über einige fragwürdige Entscheidungen.
Zu viel Selbstvertrauen – und niemand wagt Widerspruch
Für Anton Wass beginnt das Problem bei KTM ganz oben. Er vergleicht die Situation mit der Entwicklung autoritärer Herrscher: „Am Anfang läuft es gut, aber wenn niemand mehr den Mut hat, zu sagen, dass etwas falsch läuft, geht es den Bach runter.“
Er selbst kennt Stefan Pierer, den CEO von Pierer Mobility, nicht persönlich, hat jedoch mit vielen Top-Managern gesprochen, die mit ihm gearbeitet haben. Die allgemeine Meinung: Früher gab es offene Diskussionen, heute sind kritische Stimmen unerwünscht. „In den letzten Jahren konntest du KTM nicht mehr mit schlechten Nachrichten anrufen. Sie wollten einfach nicht hören, wenn etwas schief lief.“
Nach dem Boom kam die Realität – aber KTM ignorierte sie
Die Corona-Pandemie hat die Motorradbranche kurzfristig beflügelt. Viele Menschen hatten plötzlich mehr Zeit, bekamen staatliche Hilfen oder hatten einfach Langeweile – und kauften Motorräder. KTM war in dieser Zeit auf einem Höhenflug. „Freies Geld und viel Zeit? Klar, da kauft man sich ein neues Bike,“ fasst Wass den Effekt zusammen.
Doch nach der Pandemie war für viele Experten klar: Der Markt wird wieder schrumpfen. Händler und Hersteller bereiteten sich darauf vor, reduzierten ihre Bestellungen und drosselten die Produktion – nur KTM nicht. „Sie sagten einfach: ‚Nein, nein, wir wachsen weiter! 100, 200 Prozent!“ Wass hält das für einen fatalen Fehler.
Überproduktion ohne Rücksicht auf Verluste
Anstatt die Produktion an den realen Markt anzupassen, baute KTM weiter auf Expansion. „Sie haben riesige Lagerbestände aufgebaut, obwohl sich längst abzeichnete, dass die Nachfrage sinkt.“ Viele Händler konnten die gelieferten Motorräder kaum noch verkaufen, während KTM sie weiter mit neuen Modellen belieferte.
Hinzu kam eine fragwürdige Modellpolitik. „Orange, Weiß und Rot? Wer zur Hölle hat das abgesegnet?“ fragt Wass und wundert sich über die Design-Entscheidungen der letzten Jahre.
Doch nicht nur das Aussehen der Motorräder sorgt für Stirnrunzeln – auch die schiere Masse an produzierten Bikes wirkt irrational. „Warum brauchst du 50 identische 450er auf Lager, wenn du sie sowieso nicht alle verkaufst?“
Finanzielle Risiken durch gefährliche Kreditlinien
Ein weiteres großes Problem sieht Wass in den finanziellen Praktiken von KTM. Um Händler zum Kauf neuer Motorräder zu bewegen, gewährte KTM ihnen immer längere Zahlungsfristen – teilweise bis zu eineinhalb Jahre. „In einem normalen Geschäft bekommst du 30 Tage Kredit, maximal drei Monate. Aber ein Jahr oder mehr? Das ist verrückt!“
Dadurch häuften die Händler enorme Schulden an, die letztlich auf KTM zurückfielen. „Die Händler hätten KTM damit in die Knie zwingen können. Das ist keine gesunde Geschäftsstrategie.“
Die Rettung wird schmerzhaft
Trotz der aktuellen Probleme glaubt Wass nicht, dass KTM untergeht – aber der Weg aus der Krise wird hart. „Sie werden gerettet, aber die Bedingungen werden brutal sein. Vor allem, weil sie nicht mehr die Mehrheit an ihrer eigenen Firma halten.“
Für ihn ist KTM ein Beispiel dafür, was passiert, wenn ein Unternehmen sich in einer Erfolgsgeschichte verliert und nicht auf Warnsignale hört. „Sie haben sich während der Pandemie unbesiegbar gefühlt – aber sie haben vergessen, die Handbremse zu ziehen.“
Das mehr als zwei Stunden lange Interview findet ihr auf Youtube.