One Industries vs. O’Neal: Vom Gerichtssaal zur Markenfusion

Julien Beaumer ist One Industries Top Pilot und Markenbotschafter

Julien Beaumer ist One Industries Top Pilot und Markenbotschafter. / Foto: One Industries

In den frühen 2000er Jahren stand das Motocross-Geschäft im Zeichen einer Rivalität, die weit über die Grenzen der Rennstrecken hinausging: O’Neal Racing und One Industries kämpften nicht nur um Marktanteile, sondern auch um die Vormachtstellung in der Szene. O’Neal, eine etablierte Marke mit Jahrzenten an Erfahrung, war ein Schwergewicht in der Branche, bekannt für erschwingliche, zuverlässige Produkte. Auf der anderen Seite überraschte das junge Unternehmen One Industries mit innovativen Designs, einem frischen Ansatz im Marketing und einem Webauftritt, der für damalige Verhältnisse revolutionär war.

Doch die aufkeimende Konkurrenz nahm 2006 eine juristische Wendung, als O’Neal One Industries wegen angeblicher Markenrechtsverletzung, unlauterem Wettbewerb und Verletzung der Handelsaufmachung verklagte. O’Neal ging sogar so weit, die Löschung der Markeneintragungen von One Industries zu fordern.

Es folgte ein drei Jahre langer Rechtsstreit, der schließlich im Bundesgericht in San Diego ein Ende fand. Richter John A. Houston entschied zugunsten von One Industries und erklärte, dass O’Neal keine ausreichenden Beweise für die behaupteten Markenrechtsverletzungen vorlegen konnte. Dieses Urteil war ein klarer Sieg für das junge Unternehmen und stärkte seine Position im Markt. Doch obwohl die rechtliche Auseinandersetzung beendet war, hinterließ der Konflikt bei O’Neal offensichtlich tiefe Spuren.

Ein überraschendes Comeback

Einige Jahre später verschwand One Industries jedoch vom Markt, und die einstige Rivalität schien endgültig der Vergangenheit anzugehören. Doch im Jahr 2022 kam es zu einer überraschenden Wendung: Jim O’NEAL Distributing Inc., die Muttergesellschaft von O’Neal, übernahm die Namensrechte von One Industries. Zwei Jahre später, 2024, brachte man die Marke wieder zurück ins Spiel. Diese Wiederbelebung wirft die Frage auf: Warum entschied sich O’Neal, eine Marke, mit der man einst erbittert im Konflikt stand, wiederzubeleben?

Die Antwort liegt vermutlich in einer cleveren strategischen Entscheidung. O’Neal ist bekannt für qualitativ hochwertige, aber erschwingliche Produkte, vor allem Helme und Bekleidung im mittleren Preissegment. Mit One Industries bietet sich nun die Möglichkeit, eine Zweitmarke zu etablieren, die das Premium-Segment bedient. Ein Konzept, das in anderen Branchen längst etabliert ist: Toyota hat Lexus, Seat hat Cupra und Nissan hat Infiniti – warum also nicht auch eine ähnliche Differenzierung im Motocross-Bereich? Hochwertigere Produkte unter dem Label One Industries könnten nicht nur neue Zielgruppen erschließen, sondern auch die Position von O’Neal stärken.

Neue Wege im Casual-Bereich

Ein weiteres Zeichen für die ambitionierten Pläne von One Industries ist die Verpflichtung eines prominenten Gesichts: Julien Beaumer, Red Bull KTM Factory Racing Pilot, wird Markenbotschafter für die wiederbelebte Marke. Interessanterweise stand Beaumer bereits 2024 bei O’Neal unter Vertrag und wechselte nun offiziell zu One Industries. Seine Präsenz soll nicht nur das Markenimage stärken, sondern auch dabei helfen, die neue Premium-Ausrichtung von One Industries in der Motocross-Community zu etablieren.

Ein cleverer Neustart

Mit der Rückkehr von One Industries schlägt Jim O’NEAL Distributing mehrere Fliegen mit einer Klappe. Zum einen wird das Premium-Segment des Marktes erschlossen, zum anderen wird durch die Einführung von Casual-Wear das Markenportfolio erweitert. Darüber hinaus sorgt die Verpflichtung prominenter Athleten wie Julien Beaumer dafür, dass die Marke in der Szene präsent bleibt und gleichzeitig neue Zielgruppen anspricht. Die einstige Rivalität zwischen O’Neal und One Industries ist Geschichte. Stattdessen hat sich aus dem Konflikt eine durchdachte Strategie entwickelt, die O’Neal und One Industries gemeinsam als starke, einander ergänzende Marken in die Zukunft führen dürfte.