Lyonel Reichl: Mit Trümmerbruch zum ADAC MX Masters

Lyonel Reichl startet mit gebrochenem Wadenbein beim ADAC MX Masters Dreetz 2025.

Lyonel Reichl startet mit gebrochenem Wadenbein beim ADAC MX Masters Dreetz 2025.

Lyonel Reichl zählt ohne Zweifel zu den schnellsten Fahrern der ADAC MX Masters Serie. Der 19-jährige Liechtensteiner vom deutschen Sarholz KTM Team sorgte zum Saisonauftakt 2025 in Fürstlich Drehna mit einem überraschenden Gesamtsieg für Aufsehen. Doch anstatt diesen Erfolg direkt mit einem weiteren Sieg zu untermauern, machte Reichl wenig später auf dramatische Weise Schlagzeilen.

Beim EMX250-Lauf im Rahmen des MXGP of Latvia in Kegums kam es am berüchtigten Zielsprung des Motocenters „Zelta Zirgs“ zu einem heftigen Sturz: Lyonel Reichl wurde spektakulär in der Luft von seinem Bike getrennt und prallte hart auf – das Resultat war ein zertrümmertes Wadenbein. Dieser Sprung hat bereits 2022 dem Dänen Thomas Kjer Olsen, heute Nationaltrainer in Dänemark, nach einem schweren Sturz, bei dem er sich den Halswirbel C1 brach, das Karriereende eingebracht. Auch in diesem Jahr forderte die Passage mehrere Opfer – sechs Fahrer gingen zu Boden, Reichl erwischte es dabei mit am schlimmsten.

Trotz der Verletzung stand der junge Pilot nur eine Woche später wieder am Start des ADAC MX Youngster Cup – Und so stellt sich uns die Frage, ist Lyonel Reichl härter als Eli Tomac? Grund genug, mit ihm über seine Verletzung, den Sturz und seine weiteren Pläne zu sprechen.

Lyonel, vor einer Woche hast du beim MXGP of Latvia einen richtig heftigen Crash erlebt – mit der Diagnose: zertrümmertes Wadenbein. Wie geht es dir aktuell, nur wenige Tage später?

Tatsächlich geht es mir eigentlich ziemlich gut. Ich bin nach dem Crash nach Hause gefahren und habe das Ganze mal anschauen lassen. Dabei kam – wie schon gesagt – heraus, dass das Wadenbein gebrochen war. Die Schmerzen waren da, besonders beim Auftreten, aber es war alles irgendwie schwer zu glauben.

Die meisten hätten bei so einer Verletzung sofort die Saison unterbrochen. Du standest in Dreetz aber schon wieder am Gatter. Was hat dich zu diesem schnellen Comeback motiviert?

Natürlich bin ich immer motiviert zu fahren, und ich bin ein Typ, der immer alles gibt. Die Ärzte meinten, es könne eigentlich nichts passieren.

Wie stark waren die Schmerzen im Rennen – und wie hast du es überhaupt geschafft, den Tag durchzustehen?

Ja, die Schmerzen waren wirklich extrem. Ich hatte starke Schmerzmittel, aber die haben kaum etwas gebracht. Es war teilweise echt der Horror auf der Strecke. Beim Fahren ging es dann wirklich von Runde zu Runde – oder besser gesagt: von Sektion zu Sektion. Ich habe einfach die Zähne zusammengebissen und versucht, so schnell wie möglich durchzufahren, soweit es die Schmerzen eben zuließen.

Hattest du mit dem Team und den Ärzten über das Risiko gesprochen – und wie sah deren Einschätzung aus?

Wir haben das natürlich miteinander besprochen – mit Ärzten, Trainern und dem Team. Es musste einfach Sinn machen. Am Donnerstag saß ich erstmals wieder auf dem Motorrad. Wir haben alles genau durchgesprochen: Ist es stabil? Besteht Gefahr?

Die Ärzte sagten, eine richtige Gefahr bestehe eigentlich nicht. Im schlimmsten Fall könnte der Bruch wieder aufgehen oder schlimmer werden. Aber Lebensgefahr oder ein hohes Risiko gab es nicht. Also ging es im Endeffekt nur noch darum, wie viele Schmerzen ich aushalten kann.

Und da war für mich klar: Schmerzen kenne ich, damit kann ich umgehen – also will ich fahren.

Welche Maßnahmen wurden getroffen, um dein Bein zu stabilisieren?

Am Dienstag oder Mittwoch kam die endgültige Diagnose. Zuerst wollten die Ärzte operieren, das war aber nicht möglich. Stattdessen wurde mir dann eine Karbon-Schiene angepasst.

Dafür wurde ein Gipsabdruck gemacht, und die Schiene wurde individuell auf mein Bein und auch den Stiefel abgestimmt. Zusätzlich wurde das Sprunggelenk getapet, damit der Fuß so gut es geht stillgelegt ist. Das hat mir definitiv sehr geholfen. Klar, das Schalten war schwierig, aber mit der Schiene und dem Setup war es das Beste, was man aus der Situation machen konnte.

War der Start in Dreetz für dich eine bewusste Entscheidung, um dich selbst zu testen, oder eher ein emotionaler Impuls?

Eher nicht. Die Schiene war am Mittwochabend fertig, und am Donnerstag ging es schon zum ersten Mal wieder aufs Motorrad. Es war mit vielen Schmerzen verbunden, aber wir haben gesagt: Wir versuchen es. So kam es dann auch zum Start in Dreetz.

Gab es einen Moment am Wochenende, an dem du dachtest: ‚Das war vielleicht doch keine gute Idee‘?

Nein, aber wirklich zufrieden war ich nach den Läufen nicht. Ich war ein bisschen enttäuscht, weil es nicht perfekt lief. Aber unter den Umständen war es trotzdem okay. Die Platzierungen waren nicht super, aber es war wichtig, Punkte mitzunehmen und das Beste aus der Situation zu machen.

Wie blickst du sportlich auf den Dreetz-Auftritt zurück – konntest du trotz der Einschränkungen etwas für dich mitnehmen?

Ich wollte ehrlich gesagt nicht zu viel rausnehmen. Am Ende ging es mir vor allem darum, Meisterschaftspunkte zu holen und nicht zu viel Boden zu verlieren.

Was bedeutet es dir, vor allem auch mental, trotz Verletzung wieder auf dem Bike zu sitzen?

Ich bin einfach ein Typ, der nicht aufgibt. Solange es irgendwie geht, sitze ich auf dem Motorrad. Ich liebe das Fahren – und natürlich bin ich auch stolz, dass ich das trotz allem durchgezogen habe.

Wie geht es jetzt weiter? Braucht dein Bein eine OP oder weitere Therapie – oder planst du, weiterhin Rennen zu fahren?

Nach England werde ich nicht fahren. Das macht mit dem Bein im Moment einfach keinen Sinn. Wie es jetzt genau weitergeht, ist noch offen. Ich bin aktuell wieder in der Schweiz zu Hause, bleibe erstmal zwei, drei Wochen hier. Dann schauen wir, wie der Heilungsverlauf aussieht. Es gibt verschiedene Optionen, aber das wird sich in den nächsten Tagen entscheiden. Ich hoffe einfach, dass es gut vorangeht.

Für Lyonel Reichl steht nach dem Einsatz in Dreetz nun zunächst die Genesung im Vordergrund. Wie es sportlich weitergeht, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Klar ist: Der junge Liechtensteiner hat trotz der schwierigen Umstände wichtige Punkte geholt und gezeigt, dass er bereit ist, auch unter Belastung alles für seine Saison zu geben.