Lion Florian im Interview mit MXNEWS-Online

Lion Florian im Interview mit MXNEWS-Online

… Lion Florian? Es ist noch gar nicht lange her, da lieferte der junge Bursche aus Erding in der MX2-Motocross-WM beeindruckend ab, sammelte fleißig WM-Zähler. Doch seit seinem Sturz bei den ADAC MX Masters in Möggers im vergangenen Juni sucht man Lions Karrierestartnummer 239 vergeblich an den Startgattern hierzulande oder auch international. Höchste Zeit also, mal nachzufragen beim mittlerweile 21-Jährigen.

Hallo Lion, wobei erwischen wir dich gerade?

Ich komme gerade zurück aus dem Gym. Ich sehe schon zu, dass ich fit und in Form bleibe, aber ich denke, die Frage zielt auf die allgemeine Situation bei mir, richtig?

Genau, denn es scheint, dass du dich vom Leistungssport, beziehungsweise Profi-Motocross vorerst verabschiedet hast.

Ja, so ist es. Ich mache bei BMW Motorrad in München eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker, wohne wieder daheim in Erding und habe meinen Traum, als Profi-Motocrosser durchzustarten erstmal für beendet erklärt.

Lion Florian auf KMP Honda beim ADAC MX Masters Möggers 2022, Möggers / Foto: SevenOnePictures

Das hatte sich ja bereits so abgezeichnet, denn seit dem Crash bei den Masters in Möggers im Juni letzten Jahres haben wir dich nicht mehr an den Startgattern gesehen. War die Verletzung ausschlaggebend für diesen Schritt?

Nein, eigentlich nicht, zumindest nicht hauptursächlich. Sagen wir mal so: Es war in einer langen Reihe von Enttäuschungen und Rückschlägen das eine Frust-Erlebnis zu viel, welches mich dann schließlich zum Nachdenken und am Ende zu der Erkenntnis gebracht hatte, doch lieber zu Plan B überzugehen.

Plan B, also eine Ausbildung zu beginnen, war demnach schon länger eine Option?

Bereits im Frust-Herbst 2021 war ich eigentlich schon so weit, den Stecker in Sachen Motocross auf allerhöchstem Level zu ziehen.

Du meinst die Schulter-Verletzung beim Grand Prix in der Türkei?

Ja, aber nicht direkt der Crash und die ausgekugelte Schulter beim GP waren das Problem, sondern die quälend lange Reha-Zeit danach, das hatte schon extrem an der Motivation genagt. Anfangs dachten wir ja noch, dass ich schnell wieder fit und bei den Grands Prix sein würde, aber ein extrem schleppend verlaufender Heilungsprozess sorgte zunehmend für Frust. Später stellte sich heraus, dass die Erstversorgung komplett falsch verlaufen war, ich viel zu lange mit der ausgekugelten Schulter auf eine Behandlung hatte warten müssen. Das lief wirklich extrem unglücklich und dann auch noch ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, wo sich vieles genau in die richtige Richtung entwickelt hatte.

Das kann man wohl sagen, denn deine erste WM-Saison hatte ja beeindruckend gut begonnen.

Absolut! Gleich beim ersten GP zu punkten, das war natürlich ein Traum. Vergessen darf man ja auch nicht, dass die WM-Saison ja erst kurz zuvor mit der erfolgreichen Crowdfunding-Aktion gesichert worden war. Mann, es lief so gut! Budget gestemmt, im WZ-Team beste Bedingungen mit einem tollen Motorrad vorgefunden und das Training mit Teambesitzer Waldemar Zichanowisch hatte mich nochmal einen Stepp voran gebracht. Als ich in den weiteren GP erneut wertvolle Punkte einfahren konnte, habe ich echt gedacht, es geschafft zu haben. Und dann scheppert es, ohne das man es hätte verhindern können, die Ersthelfer treffen die falschen Entscheidungen und schon geht alles in die andere Richtung. Es war so dermaßen frustrierend mit der Verletzung, denn ich habe einfach keine Kraft mehr in meine Schulter bekommen.

Aber auf diesem Level brauchst du, wenn du nicht bei 100 Prozent bist, erst gar nicht wieder in den Sattel steigen. Je länger meine Verletzungs-Auszeit dauerte, desto klarer wurde, dass meine Chancen bei WZ zu bleiben, dramatisch sinken würden. Ich habe meinen Eltern so viel zu verdanken, sie haben alles und noch mehr für meine Karriere gegeben und auch meine Gönner und Sponsoren haben stets zu mir gehalten. Aber im Krankenstand und somit ohne vorzeigbare Ergebnisse wird das nochmals schwieriger und nach dem Kraftakt vor der Saison 2022 wäre die Hürde der Finanzierung einer weiteren WM-Saison nochmals höher gewesen. Im Herbst war ich dann mental endgültig auf dem Tiefpunkt angekommen: Fraglich, ob die Schulter wieder in Ordnung kommt, fraglich ob man genügend Budget findet und fraglich, ob man einen Platz in einem WM-Team bekommt. Das waren einfach zu viele Fragezeichen und zu jenem Zeitpunkt haben wir beschlossen, die Back-up-Lösung, die Suche nach einem Ausbildungsplatz zu forcieren.

Lion Florian beim WZ Racing Fotoshootings 2021
Lion Florian beim WZ Racing Fotoshootings 2021 / Foto: SevenOnePictures

Es ging dann aber doch schon noch weiter?

Das Licht am Ende des zu diesem Zeitpunkt stockdunklen Tunnels hat letztlich Alex Karg eingeschaltet, denn sein Angebot, für KMP-Honda die ADAC Masters in der großen Klasse zu bestreiten kam für mich völlig überraschend. Das war der Lichtblick, den ich unbedingt gebraucht hatte und passend zu der neuen Teamsituation hatte ich endlich die Schulter-Probleme überwunden und so zog ich top-motiviert zu meinem neuen Trainer bei der Pro Sports Alliance nach Holland.

Das Pech sollte dir aber treu bleiben, oder?

Ja, leider. Schon in der Vorbereitungszeit gab es kleinere Probleme, mal technischer Natur, mal kleinere Verletzungen. Alles aber nicht so dramatisch, das war in der Regel easy zu fixen. Als ich dann aber in Möggers den Crash – wieder einmal unverschuldet – hatte und zum x-ten Mal einer verletzungsbedingten Auszeit entgegenblickte, hatte ich diesen einen speziellen Gedanken: Irgendetwas stimmt doch nicht, vielleicht soll es einfach nicht sein, dass ich auf diesem Level eine gute Zeit haben kann. Es ist nicht leicht, so etwas aufzugeben und heute noch fehlt mir das Racing sehr. Aber andererseits bin ich auch geradezu erleichtert. Kein Stress mehr, kein Druck, abliefern zu müssen und auch das ewige Strampeln im Hamsterrad, genügend Geld aufzutreiben, vermissen meine Familie und ich natürlich kein bisschen.

Jetzt haben wir so viel über Negativ-Erlebnisse gesprochen, aber die tolle erste Hälfte der WM-Saison 2021 wollen wir nicht vergessen. Was ist für dich die schönste und was die weniger schönste Erinnerung?

Mein absolutes Highlight war der Orlyonok-GP. Zunächst war das gar nicht in der Planung vorgesehen, aber der Teamchef wollte das unbedingt möglich machen. Den Track dort fand ich mega-geil und die Leute dort waren unfassbar gut drauf. Die blödeste Sache war natürlich das Ende in der Türkei. Die Ironie ist: Auch dieser GP war eigentlich nicht in der Planung vorgesehen, wir mussten ihn extra finanzieren, was dank der guten Ergebnisse zuvor sogar glücklicherweise geklappt hatte. Aber, was heißt glücklich? Dass ausgerechnet dort dann mein Traum enden sollte…

Siehst du noch eine Möglichkeit, eines Tages wieder auf allerhöchstem Level anzugreifen?

Nein, ich denke, wenn man einmal „raus“ ist, wird es doppelt und dreifach kompliziert, wieder in einem Top-Team Unterschlupf zu finden.

Ganz ohne MX geht es aktuell aber auch nicht, oder? Wie genau sieht deine Planung zu dieser Saison 2023 aus?

Racing wird es definitiv nicht geben, aber dennoch möchte ich so oft wie es eben geht mit meinen Kumpels auf die Strecke und einfach Spaß haben. Die Ausbildung hat jetzt erstmal die höchste Priorität, aber ich kann mir schon vorstellen, es irgendwann mal wieder bei den MX Masters zu versuchen.

Dann wünschen wir dir weiterhin eine entspannte Zeit ohne Racing-Stress und sagen Danke für dieses Gespräch.