Sind Motocrosser die besseren Supercrosser?

Maximilian Spies hatte sichtlich Spaß beim Supercross Stuttgart

Maximilian Spies hatte sichtlich Spaß beim Supercross Stuttgart. / Foto: Steffen Schollbach

Max Spies und Noah Ludwig beweisen in Stuttgart, dass MX-Fahrer auch im Supercross glänzen können. Beim Saisonauftakt der ADAC Supercross-Serie in Stuttgart sorgten gleich zwei deutsche Motocrosser für Furore: Max Spies und Noah Ludwig. Beide kommen aus dem klassischen Motocross, beide hatten nur begrenzte Supercross-Erfahrung – und dennoch mischten sie in ihren Klassen überraschend weit vorne mit.

Ihre Auftritte werfen eine spannende Frage auf: Sind Motocrosser vielleicht die besseren Supercrosser?

Max Spies: „Ich war alles andere als gut vorbereitet“

In der SX1-Klasse trat Max Spies gegen einige der besten Supercross-Spezialisten Europas an – und ließ so manchen Routinierten hinter sich. Dabei verlief seine Vorbereitung alles andere als zielgerichtet:

„Ich glaube, viele wissen inzwischen, dass ich gerne mal was anderes mache als nur MX-Rennen“, sagt Spies schmunzelnd. „Meine Vorbereitung sah ehrlich gesagt gar nicht nach Supercross aus – eher nach allem, worauf ich gerade Lust hatte.“

Nach seiner Rückkehr aus den USA fuhr der 21-Jährige mal Enduro, mal Downhill-Rennen, drehte Runden auf dem Fahrrad – und trainierte „zweieinhalb Mal“ Supercross. „Ich war also alles andere als gut vorbereitet – eigentlich schlechter als letztes Jahr. Aber ich fahre, weil ich Bock drauf habe und nicht zuhause den Stream schauen will.“

Trotz minimalem Training schaffte Spies an beiden Tagen den Einzug ins Finale – jeweils über den Umweg des LCQ – und beendete die Finalläufe auf Platz sieben. „Da ist noch Luft nach oben“, gibt er zu, „aber ich mache das, weil ich Spaß daran habe – und um etwas Taschengeld für meine anderen Projekte zu verdienen.“

Zwischen BMX, Enduro und einer Prise Wahnsinn

Supercross gilt als die technisch anspruchsvollste Form des Offroad-Sports: enge Sprünge, kurze Rhythmussektionen, kaum Fehler verzeihend. Für Spies kein Hindernis, sondern eine willkommene Abwechslung.

„Ich war früher ein guter BMX-Fahrer – und das hilft mir extrem beim Gefühl für Sprünge und Timing“, erklärt er. „Und selbst beim Endurofahren lernst du Präzision, die du auch im SX brauchst.“

Seine größte Umstellung? „Ganz klar das Waschbrett und die Intensität“, sagt Spies. „Aber das konnte ich in Kleppe etwas üben. Viel Training war’s nicht – also musste ich das mit ein bisschen Wahnsinn ausgleichen.“ Unterstützung erhielt er von ORS, die ihm ein perfekt funktionierendes Fahrwerk schickten. „Ich hab kaum was verstellt – nur den Luftdruck in der Gabel angepasst. Dann gings los.“

Noah Ludwig überrascht bei SX2-Premiere

Während Spies in der SX1-Klasse kämpfte, schrieb Noah Ludwig in der SX2-Kategorie seine eigene Erfolgsgeschichte. Für den jungen Deutschen war es das erste Supercross-Rennen seiner Karriere – und gleich am ersten Veranstaltungstag gelang ihm der Sprung aufs Podium.

Mit einem dritten Platz in der hart umkämpften SX2-Klasse bewies Ludwig, dass auch reine Motocrosser auf engem Hallenboden bestehen können. Ludwig zeigte, dass man auch ohne langjährige SX-Erfahrung konkurrenzfähig sein kann. Sein Podium wurde im Fahrerlager entsprechend gefeiert – und dürfte ihn ermutigen, künftig öfter Supercross zu fahren.

Leidenschaft statt Perfektionsdrang

Sowohl Spies als auch Ludwig gehören zu den Fahrern, die sich nicht in starre Saisonpläne pressen lassen. Sie zeigen, dass Erfolg manchmal aus Vielfalt entsteht.

„Ich mache das, worauf ich Lust habe – Motocross steht ganz oben, aber Supercross ist für mich die perfekte Work-Life-Balance“, sagt Spies. Diese unbeschwerte Haltung scheint ihm zugutezukommen – und vielleicht liegt gerade darin das Geheimnis ihres Erfolgs: weniger Druck, mehr Fahrfreude.

Deutsche Talente brauchen mehr Vertrauen

Mit der SX Next-Klasse in Stuttgart und der Amateur SX Series will man in Deutschland jungen Fahrern den Einstieg erleichtern. Für Spies ein richtiger Schritt – aber noch längst nicht genug: „Die SX Next ist super – da wächst was heran. Aber die Unterstützung der Teams für deutsche Fahrer ist zu gering. Viele importieren teure Fahrer aus Übersee, die am Ende nicht besser sind als wir. Dann darf man sich nicht wundern, warum kein Deutscher um den SX1-Titel fährt.“

Er fordert mehr Mut, in heimische Talente zu investieren: „Wir haben starke Fahrer, aber uns fehlt Anerkennung und Budget. Mit dem Geld, das in ausländische Piloten fließt, könnte man Trainingsanlagen bauen oder gezielt Nachwuchs fördern. Supercross zu trainieren ist teuer – aber nur so entstehen echte Talente.“

„Ich kann SX fahren – aber warum sollte ich?“

Spies bringt es am Ende auf den Punkt: „Ja, ich kann Supercross fahren. Ja, ich will aufs Podium. Aber warum sollte ich für zwei Events monatelang SX trainieren, wenn ich am Ende nur einen Bruchteil dessen bekomme, was andere verdienen, die ich sogar schlage?“

Leidenschaft schlägt Perfektion

Die Auftritte von Max Spies und Noah Ludwig haben eines deutlich gemacht: Motocrosser können im Supercross nicht nur mithalten – sie können das Podium erobern. Beide stehen für eine neue Generation deutscher Fahrer, die mit Leidenschaft, Vielseitigkeit und Mut neue Wege gehen.

Motocrosser sind vielleicht keine geborenen Supercrosser – aber sie können es werden, wenn man ihnen die Chance gibt.