Riechsalz im Motocross: Was ändert das NFL-Verbot

Haiden Deegan bekommt von seinem Mechaniker Riechsalz gereicht. / Foto: Feld Entertainment
Was für viele Fahrer im Motocross zur festen Startlinien-Routine gehört, sorgt in anderen Profi-Ligen längst für hitzige Debatten. Nach der NFL, die nun ein Verbot für die Verteilung von Riechsalz während Spielen ausgesprochen hat, stellt sich auch im Motorsport die Frage: Wie gehen wir mit dieser Praxis um – und was bedeutet sie für die Sicherheit der Athleten?
NFL zieht Konsequenzen – mit klarer Begründung
Am 6. August 2025 wurde es offiziell: Die NFL untersagt ab sofort die teamseitige Verteilung von Ammoniakinhalaten – also genau den Riechsalz-Präparaten, die auch im Motocross häufig eingesetzt werden. Die Liga verschickte ein entsprechendes Memo an alle 32 Teams. Darin heißt es, die Abgabe von Ammoniak-Kapseln, -Inhalatoren oder -Lösungen sei ab sofort während des gesamten Spielbetriebs – einschließlich Pregame und Halbzeit – verboten.
Der Grund: Ein Warnhinweis der US-Gesundheitsbehörde FDA, die 2024 die fehlende Nachweisbarkeit von Sicherheit und Wirksamkeit dieser Mittel kritisierte. Zudem betonte die NFL, dass die Reizstoffe potenziell Symptome von Gehirnerschütterungen maskieren können – genau wie es auch neurologische Studien nahelegen, auf die sich die Liga beruft.
George Kittle „distraught“ – die Debatte erreicht die Öffentlichkeit
Für NFL-Stars wie George Kittle war das Verbot ein echter Schock. Der 49ers-Tight-End, bekannt für seine Energie und Leidenschaft, reagierte live im Fernsehen mit einer Mischung aus Frust und Humor: „Ich habe heute ernsthaft darüber nachgedacht, in Rente zu gehen“, scherzte er – und machte gleichzeitig deutlich, wie tief das Thema im Sport verankert ist. Kittle sagte, er benutze Riechsalz vor nahezu jedem Drive – für ihn ein mentales Ritual.
Auch im Motocross Standard – aber sicher?
Diese Abhängigkeit vom „Wachmacher in der Ampulle“ ist auch im Motocross keine Ausnahme. Fahrer wie Haiden Deegan oder Jett Lawrence greifen regelmäßig zu Ammoniak-Inhalaten, um sich vor dem Start zu fokussieren. Der Körper reagiert mit einem Schockimpuls: Herzschlag und Atemfrequenz steigen, das Gehirn wird kurzfristig besser durchblutet. Der Effekt: mentale Schärfe, wacher Blick, gefühlte Kontrolle.
Doch genau das ist der kritische Punkt. Denn wenn Symptome überdeckt statt erkannt werden, kann das – etwa bei bereits vorhandenen Gehirnerschütterungen oder muskulären Verletzungen – gefährlich werden. Die NFL sieht hier eine direkte Verbindung und hat entsprechend gehandelt. Und nun?
Mentale Hilfe oder medizinisches Risiko?
Wissenschaftlich betrachtet bleibt die Wirkung umstritten. Eine US-Studie konnte keinen signifikanten Leistungsvorteil durch Ammoniakinhalate nachweisen. Stattdessen zeigte sich: Viele Athleten spüren einen Placebo-Effekt – fühlen sich frischer, wacher, fokussierter. Für viele reicht dieses Gefühl aus, um das Riechsalz weiter zu nutzen. Der Glaube an den Effekt wird zum entscheidenden Faktor.
Aber: Wenn dieser Glaube dazu führt, medizinische Warnzeichen zu ignorieren, überschreitet das Ritual die Grenze zur Risikozone.
Zeit für neue Überlegungen?
Die Entscheidung der NFL ist mehr als ein internes Memo – sie könnte ein Signal für andere Sportarten sein, genauer hinzuschauen. Auch wenn Motocross andere Strukturen und Dynamiken hat, ist eines klar: Risiken für Kopf, Nacken und Wirbelsäule sind im MX- und SX-Sport alltäglich. Und wenn die Medizin warnt, ist es fahrlässig, diese Signale zu ignorieren.
Ein pauschales Verbot? Noch nicht diskutiert. Aber eine offene Auseinandersetzung über Nutzen, Risiko und Verantwortung ist längst überfällig. Vielleicht braucht es keine komplette Kehrtwende – aber klare Empfehlungen, medizinische Aufklärung und eine ehrlich geführte Debatte.
Denn eines zeigt die NFL-Entscheidung deutlich: Zwischen Tradition und Gesundheit braucht es manchmal einen mutigen Schritt. Und dieser beginnt oft nicht mit einem Verbot – sondern mit einer Frage: Wofür schnüffeln wir eigentlich?