MXGP Renndirektor Ingo Partsch im exklusiven Interview – Part 1
Wir werfen gerne einen Blick hinter die Kulissen der MXGP und sprechen mit Personen, die für die Veranstaltung unverzichtbar sind. Natürlich denkt man dabei zuerst an die Athleten, aber bevor diese überhaupt auf die Strecke gehen, treffen andere Personen wichtige Entscheidungen. Unser Interviewpartner ist von großer Bedeutung: Er kümmert sich seit geraumer Zeit um die Renndirektion und kommt ganz nah an die Monster Girls. Ingo Partsch gilt als erfahrener Renn- und Eventleiter, der uns in seinen Alltag auf der MX-Strecke mitnimmt. Im ersten Teil erfahrt ihr alles über seinen Werdegang.
Hi Ingo, dein Name fällt in den MX-Übertragungen häufiger als der mancher Fahrer – Kommentator Paul Malin erwähnt dich vor jedem Rennen. Stell dich doch bitte kurz selbst vor!
Partsch: „Vielen Dank, aber die Werbung ist nicht nötig. Ich heiße Ingo, bin 57 Jahre alt und komme aus Österreich. Das Rennen in Arnheim war mein 292. als Renndirektor, wobei ein Supermoto-Rennen dabei ist. Von 2008 bis 2013 war ich in der MX3 tätig, und seit 2014 bin ich bei der MXGP.“
Wie bist du zu deinem Job im Auftrag der FIM gekommen, und wie ist deine Verbindung zum Motocross?
Partsch: „1991 habe ich beim ÖAMTC in der Motorsportabteilung angefangen, die damals noch eine reine Eventabteilung war und 2007 inkludiert wurde. Wir haben Motocross in Sittendorf und Hallencross in Wien veranstaltet, um die Verbindung zum Motocross zu nennen. Außerdem haben wir Trial-Events und Straßenrennsport organisiert, auch in der Formel 1 und Langstrecke. Motorräder waren dann mein Spezialgebiet. 1995 habe ich meine erste FIM-Lizenz gemacht und war in verschiedenen österreichischen Klassen tätig. In Kärnten kam ich dann das erste Mal in Kontakt mit Dave Nicoll. Dave war der Renndirektor, den ich beerben durfte, und von dem ich unheimlich viel gelernt habe. Der mittlerweile verstorbene Wolfgang Srb hat mich dann gefragt, ob ich mir den Job in der MX3-WM vorstellen kann, mit dem Ziel, irgendwann Dave zu beerben – sofern ich mich als geeignet erweisen würde.“
Das scheint gut geklappt zu haben, denn jetzt bist du hier. Warst du selbst auch Rennfahrer?
Partsch: „Ich bin nie Motocross gefahren. Ich fahre Motorrad, aber nicht im Rennsport. Kein Geld und zu wenig Talent. Das erkennt der eine oder andere leider nicht.“
Welche Aufgaben hast du bei einem GP? Im TV sieht man dich immer nur mit der grünen Flagge bei den Monster Girls auf der Startgeraden.
Partsch: „Ich muss alles koordinieren, was den Sport betrifft. Bei uns gibt es die „3-M-Regel“: Marshall, Medical, Machinery. Wir kümmern uns um die Marshalls, sorgen dafür, dass genügend da sind und sie wissen, was zu tun ist. Die Rekrutierung ist heute sehr schwierig. Ein normaler Zeitplan für einen Streckenposten geht von 07:00 bis 18:00 Uhr, ohne Pause. Das ist ein anstrengender Job. Die Leute denken, man steht nur herum, hält ab und zu eine Flagge hoch und schaut sich die Rennen an, aber das ist es nicht.
Dann kommt das Medical. Wir bekommen von der FIM einen Medical Director, der die Situation vor Ort einschätzt. Ich werde kein Land nennen, aber es gibt in dieser Hinsicht bessere und schlechtere Länder, um es gelinde auszudrücken. Er gibt mir dann das grüne Licht, ob alles passt.
Das letzte M steht für Machinery, also die Streckenarbeiten. Ich bekomme das GO, wenn alle Arbeiten erledigt sind und ich die Fahrer auf die Strecke schicken kann.“
Ich weiß, dass du meistens am Donnerstag an die Strecke kommst. Was ist deine erste Tätigkeit?
Partsch: „Ich trinke einen Kaffee.“
Das war knackig. Wie sieht ein Kurzüberblick über ein Rennwochenende bei dir aus?
Partsch: „Wir kommen am Donnerstag an. Wenn es eine neue Strecke im Kalender oder die Nations sind, dann geht es schon am Mittwoch los. Zuerst verschaffen wir uns einen allgemeinen Überblick. Dann machen wir mit dem Rennleiter eine Runde, damit vor Ort noch 36 Stunden Zeit bleiben, um mögliche Probleme zu beheben. Nebenbei kümmern wir uns um die Ausbildung der Marshalls. 2018 haben wir auch Helme für die Streckenposten eingeführt, was sich bereits oft bewährt hat. Es fällt den Leuten kein Motorrad auf den Kopf, aber ein Stein kann schon mal dabei sein. Die Sicherheit hat immer oberste Priorität. Am Freitagnachmittag kommen dann Tests mit dem Startgatter dazu und später die Starttests mit den Fahrern auf der Startgeraden. Samstagmorgen gibt es noch eine Inspektionsrunde, und dann beginnen die einzelnen Sessions.“
Du reist für den Job um die ganze Welt. Was ist deiner Meinung nach die beste Art zu reisen?
Partsch: „Hm, ich denke, es ist immer gut, wenn man einen Spagat zwischen Effizienz und Zeitersparnis findet. Bei Triple-Headern geht es Schlag auf Schlag und das muss einfach gut funktionieren.“
Im Vorstart brauchst du deine Pfeife, um auf dich aufmerksam zu machen und den Fahrern Signale zu geben. Hast du sie schon einmal verloren?
Partsch: „Ich musste sie schon mal ersetzen, weil sie kaputt war. Aber ich habe sie noch nie verloren oder vergessen.“
Gibt es für dich auch einen Ersatzmann, falls du mal ausfällst?
Partsch: „Von 2008 bis 2024 habe ich drei Rennen versäumt. Einmal habe ich mich in Chile verletzt und war noch im Krankenhaus, dann habe ich Schweden wegen Covid verpasst und jetzt hatte ich für Frauenfeld einen Todesfall in der Familie Aber ja, ich habe natürlich einen Ersatzmann. Seit 2016 haben wir das aufgeteilt, weil das Programm so groß ist. Ich mache die WM, und meine Kollegen die EMX. Ein Deputy ist immer an der Ziellinie, weil das ebenfalls ein sehr wichtiger Job ist. Für den Fall, dass eine Session gestoppt werden muss, übernimmt er dann die rote Flagge, wie kürzlich in Loket. Nur Leute von der FIM haben eine rote Flagge, niemand sonst.“
Hast du eine Lieblingsstrecke im Kalender?
Partsch: „Argentinien war immer schön, aber die Strecke gibt es leider nicht mehr. Sie war großartig. Matterley Basin gefällt mir vom Layout her, aber sie ist viel zu lang. Die Rundenzeiten sind zu lang, wenn die Fahrer in die letzten beiden Runden gehen müssen. Das raubt mir wenige, aber wichtige Minuten.“
Gibt es ein Erlebnis oder eine Sache, die dir besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Partsch: „Es ist kein einzelnes Erlebnis oder eine Sache, es ist vielmehr der Teamgeist, den wir hier haben. Das ist absolut fantastisch. Ein ehemaliger Kollege hat es immer als zweite Familie bezeichnet und genau so ist es auch. Wir verbringen etwa 160 Tage im Jahr zusammen, da wäre es wichtig, dass man sich versteht.“
Wenn du einen Motocross-Wunsch frei hättest, welcher wäre es?
Partsch: „Das ist einfach: So wenig Verletzungen wie möglich. In Lommel hatten wir beispielsweise null Verletzungen.“
In Lommel wurde auch ein neuer Oberkörperprotektor mit Airbag vorgestellt. Es gibt also auch in dieser Hinsicht Innovationen.
Partsch: „Wir werden sehen, was er bringt. Aber die Einführung solcher Neuerungen ist immer zeitaufwändig, bis wirklich alle zufrieden sind. Beispielsweise wurde das Neckbrace nicht verpflichtend, weil nicht ganz klar ist, ob es nicht auch ein Problem verursachen könnte.“
Ingo, vielen Dank für deine Eindrücke! Wir sehen uns bald für den zweiten Teil wieder! Hier spricht Ingo Partsch dann über die Arbeit mit der FIM und Infront.