Marcel Stauffer greift in drehendes Hinterrad

Marcel Stauffer war im Qualifying-Race des MXGP of Switzerland nur mit einem Handschuh unterwegs.

Marcel Stauffer war im Qualifying-Race des MXGP of Switzerland nur mit einem Handschuh unterwegs. / Foto: Ralph Marzahn

Beim Qualifying-Race des MXGP of Switzerland in Frauenfeld sorgte Marcel Stauffer für einen ebenso dramatischen Moment. Nach einem durchwachsenen Start arbeitete sich der österreichische MXGP-Pilot in der ersten Runde stark nach vorn – bis er am Ende der Boxengasse spektakulär stürzte. Unter seinem Motorrad eingeklemmt, befreite er sich in einer blitzschnellen Reaktion selbst – trotz drehendem Hinterrad und brenzliger Situation.

Doch damit nicht genug: Stauffer setzte das Rennen fort, mit einem verbogenen Bike und nur einem Handschuh – und kämpfte sich mit beeindruckendem Speed noch auf Platz 25 vor. Ein Auftritt, der zeigte, warum man Marcel Stauffer nie abschreiben sollte.

Marcel, nimm uns mal mit in den Moment – was ist genau passiert, als du am Ende der Boxengasse gestürzt bist?

Ich hatte keinen optimalen Start und war dann irgendwo auf Platz 26 oder 27. In der ersten Runde konnte ich mich aber recht gut nach vorne arbeiten. Dann kam der Sturz auf der Boxengeraden. Ich glaube, ich habe kurz davor, in der Kurve vor der Box, noch jemanden überholt und war dadurch auf Platz 20. Zwei Fahrer waren direkt vor mir, und ich konnte nicht richtig sehen, wohin ich fahre. Dabei bin ich mit dem Bike ein Stück über die Rille gerutscht, habe das Gleichgewicht verloren und bin über den Lenker abgeflogen. Am Ende lag ich dann unter dem Motorrad.


Was ging dir durch den Kopf, als du unter dem Bike eingeklemmt warst und dir klar wurde: „Ich muss da irgendwie selbst raus“?

Eigentlich war es gar nicht so sehr der Sturz selbst, das Problem war vielmehr, dass die Schwinge direkt auf meinem Knie-Oberschenkel-Bereich lag und sich das Rad dabei weitergedreht hat – was natürlich alles andere als optimal ist. Ich habe dann versucht, so schnell wie möglich da rauszukommen, weil ich wusste: Je mehr Zeit ich verliere, desto schwieriger wird es, wieder nach vorn zu kommen.


War dir bewusst, wie gefährlich es ist, ein noch drehendes Rad mit der Hand zu stoppen? Oder war das in dem Moment einfach purer Instinkt?

Ich war mir schon bewusst, dass ich nicht in die Speichen oder die Bremsscheibe greifen sollte. Aber ich dachte mir, da sich das Rad dreht, dass das fürs Bein nicht ganz ungefährlich ist. Auch was das Motorrad heiß, und ich wusste nicht genau, wo ich überall anliege. Ich wollte einfach so schnell wie möglich da raus.

Also habe ich mich entschieden, mit den Händen kurz zum Reifen zu greifen, um zu versuchen, das Rad irgendwie zu stoppen. Ich habe es einmal probiert – und es hat zum Glück sofort funktioniert. Wenn das nicht geklappt hätte, hätte ich einfach abwarten müssen. Ich hatte ja keine andere Möglichkeit, rauszukommen.

Mein Glück war, dass es relativ gut funktioniert hat, das Motorrad sofort ausgegangen ist und ich mich dann am Rad abstützen und befreien konnte. Es war kein reiner Instinkt – eher die schnellste Entscheidung, die mir in dem Moment geblieben ist, um wieder rauszukommen. Und Gott sei Dank war es am Ende nicht gefährlich.

Wie hat sich das Fahren mit nur einem Handschuh auf der Strecke angefühlt? Gab es Einschränkungen oder Risiken, die du sofort gespürt hast?

Es war schon ein komisches Gefühl, vor allem am Anfang, ohne Handschuhe zu fahren. Auch was den Grip betrifft, war es ganz anders als gewohnt. Besonders auf der Kupplungsseite war es nicht optimal – gerade weil man die relativ viel auf der Strecke braucht, um gut wegzukommen. Und je länger das Rennen gedauert hat, desto schwieriger wurde es auch griptechnisch. Trotzdem haben wir die Entscheidung getroffen, dass ich das Rennen zu Ende fahren möchte.

Von Platz 39 auf 25 – das ist trotz allem eine krasse Aufholjagd. Was hat dich angetrieben, das Rennen nicht einfach abzuhaken?

Ich bin wirklich voll zufrieden mit meinen Zeiten. Das Motorrad war zwar ein bisschen verbogen, und ich bin nur mit einem Handschuh gefahren, aber trotzdem konnte ich zeigen, dass ich von den Rundenzeiten her voll dabei bin.

Ich freue mich auf Montag, wenn ich die Chance auf zwei gute Starts habe – zwei erste solide Runden ohne Sturz – und dann wirklich versuchen kann, so weit wie möglich mitzufahren. Die Speed ist auf jeden Fall da. Genau das war bisher auch mein Antrieb in den Rennen, die ich in der MXGP gefahren bin.

Was mich antreibt? Ich glaube, das ist einfach Teil meines Charakters – ich bin jemand, der nie aufgibt. Es gibt da ein ziemlich cooles Zitat. Es stammt sicher von jemand anderem, aber Cooper Webb hat es mal gesagt: „If you quit once, it becomes a habit.“ Und das ist bei mir irgendwie hängen geblieben. Durch ihn, aber auch durch meine eigene Einstellung, ist das zu einem Teil von mir geworden.

Deshalb wird man mich bei einem Rennen auch kaum aufgeben sehen – es sei denn, es geht wirklich nicht anders. Solange das Motorrad noch halbwegs fahrbar ist und ich körperlich fit genug bin, dass es nicht gefährlich wird, werde ich ein Rennen niemals einfach so aufgeben.

Wie hat dein Team auf die Aktion reagiert – eher Schock, Stolz oder eine Mischung aus beidem?

Das Team war happy, dass ich das Rennen zu Ende gefahren bin. Ich glaube, sie schätzen es sehr, wenn sie einen Fahrer im Team haben, der auf und abseits der Strecke wirklich alles gibt, um seine beste Leistung abzurufen. Und ich weiß, dass sie mit meiner Performance trotzdem zufrieden waren.

Über den Sturz selbst und wie ich damit umgegangen bin, haben wir gar nicht groß gesprochen – weil unser Fokus nicht darauf liegt, sondern auf meinem Fahren. Und das wollen wir jetzt auch so mitnehmen und für Montag nutzen.

Wenn du jetzt im Nachhinein draufblickst – würdest du wieder versuchen, das Rad mit der Hand zu stoppen? Oder sagst du dir: Das war einmalig genug?

Ehrlich gesagt hoffe ich, dass ich nie wieder in so eine Situation komme. Es war nicht nur für meine Hände gefährlich, sondern auch für meinen ganzen Körper – und natürlich auch fürs Motorrad, das auf mir lag. Solche Situationen sind grundsätzlich immer schlecht, deshalb wünsche ich mir, dass das nie wieder passiert.

Wenn die Situation aber genau so nochmal auftreten würde – also dass das Motorrad nicht am Gas hängt und sich nur durch das Standgas das Rad bewegt – dann war das, was ich gemacht habe, wahrscheinlich die ungefährlichste Lösung. So konnte ich mich schnellstmöglich befreien.

Wie gesagt, es gibt viele Gefahren in so einer Lage: die Hitze, austretende Flüssigkeiten, das drehende Rad, das Körperstellen verletzen oder verbrennen kann. Die Bremsscheiben könnten schneiden, die Kette – gerade auf der kettenseitigen Seite, wie es bei mir war – ist auch nicht ungefährlich. Wenn sie an Oberschenkel oder Hüfte streift, wo das Bike eben aufliegt, kann das richtig gefährlich werden.

Deshalb habe ich für mich die Entscheidung getroffen, in den Notausstieg zu gehen. Ich finde, es war die richtige Entscheidung, denn ich kenne mich selbst gut genug, um zu wissen, dass ich das schaffen kann. Ich habe nie daran gezweifelt, ob es gefährlich ist – ich war mir des Risikos bewusst. Aber ich wusste auch, was ich tue.

Am Ostermontag geht es nun für Marcel Stauffer darum das Geschehene hinter sich zu lassen und mit besseren Starts sich in die Punkteränge der hart umkämpften MXGP-Klasse nach vorn zu fahren. Die Rennen des MXGP of Switzerland könnt ihr auf der Website von MXGP-TV.com verfolgen.