Leserbrief: Eine kritische Betrachtung über Erfolg, Gier und Verantwortung bei KTM

Leserbrief

Leserbrief

In den vergangenen Monaten hat kaum ein Thema die MX-Szene so beschäftigt wie die Entwicklungen rund um KTM und die Pierer Mobility AG. Der folgende Leserbrief bringt die Stimmung vieler Beobachter auf den Punkt. Mit einer Mischung aus Sachkenntnis, Emotion und klaren Worten beleuchtet unser Leser die Hintergründe der Krise – und stellt unbequeme Fragen zu Verantwortung, Management und dem schmalen Grat zwischen Erfolg und Überheblichkeit.

Hallo Ralph,

getriggert, wie ein Pawlowscher Hund, muss ich in die Tasten hauen, wie einst keiner Charlie Brown davon abhalten konnte, auf die Erscheinung des großen Kürbis zu warten…

KTM – Keine Tausend Mitarbeiter, meine sarkastische Prophezeiung scheint Realität zu werden. Schadenfreude ist nicht angebracht, Wehmut über die goldenen Zeiten hilft aber auch nicht weiter, weil die
Probleme, die zur Pleite geführt haben, hausgemacht sind. Langjähriger Erfolg, permanentes Wachstum, macht gern überheblich – und daraus entstandene Gier frisst Hirn.

Es gibt da zwei jeweils einstündige YT-Videos mit Gottfried Neumeister vom Juli und dem Bajaj-Boss kürzlich.
Neumeister redet nicht um den heißen Brei herum, sucht keine Entschuldigungen oder Ursachen außerhalb, nennt Pierer und seine Führungscrew sowie den Aufsichtsrat nicht beim Namen, aber jeder weiß, wer gemeint ist.

Keine weinerlichen Töne – der Realität ins Auge schauen, anpacken, das Beste aus der Situation machen, auch wenn schmerzhafte Entscheidungen getroffen werden müssen.

Das Bajaj-Video habe ich bereits vor dem Artikel in der Speedweek gesehen. Jetzt kann auch das RB-Portal nichts mehr schönreden – der Bajaj-Spruch „Die Motorrad-Fertigung in Europa ist tot“ ist raus und hat eingeschlagen.

Wie oft hat Bajaj den Begriff „Greed“ (Gier) im Video gebraucht? Er meinte offenbar Pierer. Konnte man als Junior-Partner ihn nicht vom unternehmerischen Overkill abhalten? War Pierer völlig beratungsresistent, wurde er durch ewigen Erfolg zum Realitätsverweigerer, oder war es reine Absicht, den Laden absaufen zu lassen und vorher noch groß abzukassieren? Der Begriff Gier lässt beide Szenarien zu – den betroffenen Arbeitern und Zulieferern kann es egal sein.

Aufgeblasenes Management, Mitläufer, Jasager, Arschkriecher um den Chef – das hat schon viele Firmen gekillt. Bajaj sagte auch explizit, dass KTM den jahrzehntelangen Partnern wie Banken und Zulieferern einen 70-Prozent-„Haircut“ verpasst habe, auf Deutsch: rasiert, auf Schulden sitzen gelassen. Der gute Ruf als Geschäftspartner ist in Österreich und nebenan dauerhaft ruiniert – ohne den wird’s schwer.

Bajaj hat bis heute 800 Millionen € für KTM abgedrückt, damit es weitergeht. Zulieferung gibt’s nur noch gegen Vorkasse. Jetzt kommt der „Haircut“ bei den KTM-Sesselfurzern – 3.000 sitzen immer noch im Büro, 1.000 sind in der Produktion. Das hat was von DDR, und die ist daran zugrunde gegangen. Wer schreibt, der bleibt. Nicht mehr lange – Bajaj räumt auf, was über viele Jahre als Krebsgeschwür ungehindert gewuchert hat.

Noch ein Aspekt:

Die Achse KTM–Red Bull hat den sofortigen Zusammenbruch und den totalen Imageverlust verhindert. Das RB-Budget war und wird sehr wichtig für die weiteren Sportaktivitäten sein – da hat man Glück gehabt.

Wie man mit Leidenschaft, Beharrlichkeit, ohne Überheblichkeit und Gier als kleiner, aber feiner Hersteller überleben kann, beweist u. a. seit Jahrzehnten eine Firma in Italien, der das K fehlt, aber die das hat, was die alte KTM, die es einmal gab, ausgemacht hat.

KTM – Keine TM, Spaß muss sein…

„Lebbe geht weiter“, sagte schon ein Fußball-Philosoph, und es wird auch weiter gute Mopeds aus Europa geben – nur keine Massenware.

Der große Kürbis (Pierer) ist weg. Der Curry-Kürbis ist die Zukunft.

Servus,

H.