KTM verlagert GasGas-Produktion – und entfacht damit neue Diskussionen
Gasgas verlegt die Produktion nach Österreich. / Foto: N. Eder
Die Nachricht kam unscheinbar, hat aber Gewicht: KTM verlagert die Produktion der Marke GasGas vollständig von Spanien nach Österreich. Künftig sollen alle Modelle in Mattighofen, dem Stammsitz des Unternehmens, gefertigt werden. Für viele mag das nach einer logischen Entscheidung klingen – zentrale Strukturen, kürzere Wege, mehr Kontrolle. Doch im Hintergrund schwingt eine größere Frage mit: Was bedeutet dieser Schritt für die Zukunft der europäischen Motorradproduktion?
Ein Satz mit Sprengkraft
Erst vor wenigen Wochen sorgte Rajiv Bajaj, CEO von Bajaj Auto und Mehrheitsaktionär bei KTM, mit einem Satz für Aufsehen: „Die europäische Fertigung ist tot.“
Eine drastische Aussage, die in der Branche wie ein Paukenschlag wirkte – und nun in neuem Licht erscheint. Denn die Produktionsverlagerung von GasGas ist nicht einfach eine Umstrukturierung. Sie könnte auch ein Vorzeichen für eine tiefgreifendere Veränderung innerhalb der KTM-Gruppe sein.
Spanien verliert, Mattighofen gewinnt – vorerst
Mit dem Aus für die Fertigung in Girona endet ein Kapitel spanischer Motorradgeschichte. GasGas, einst eine Marke, die für Handwerkskunst und lokale Offroad-Leidenschaft stand, verliert ihre industrielle Basis. Rund 20 Arbeitsplätzefallen weg. Welche Aufgaben der Standort künftig übernehmen wird, ist noch offen – die Produktion jedenfalls wandert nach Österreich.
Dort profitiert Mattighofen: Die Kapazitäten werden erweitert, die Fertigung gebündelt. KTM begründet den Schritt mit dem Ziel, Kompetenzen zu vereinen und die Effizienz zu steigern. Eine Entscheidung, die betriebswirtschaftlich nachvollziehbar ist – und gleichzeitig zeigt, wie stark sich das Unternehmen strategisch neu ausrichtet.
Zwischen Strategie und Symbolik
Auf den ersten Blick wirkt der Schritt wie ein Bekenntnis zum Standort Österreich. Doch wer die Worte von Rajiv Bajaj ernst nimmt, erkennt auch ein mögliches Signal in die andere Richtung: Die zunehmende Globalisierung der Produktion.
Schon jetzt fertigt die Bajaj-Gruppe in großem Umfang in Indien und Thailand. Niedrigere Lohnkosten, größere Stückzahlen und ein wachsender asiatischer Markt machen diese Standorte für internationale Hersteller immer attraktiver. Es wäre daher kaum überraschend, wenn in einigen Jahren auch Teile der europäischen Fertigung dorthin verlagert würden.
Was bleibt von der Marke GasGas?
Für die Fans dürfte der Schritt ambivalent sein. Einerseits bleibt GasGas als Marke bestehen – mit eigenständigem Auftritt, Modellpalette und klarer Positionierung innerhalb der KTM-Welt. Andererseits verliert sie einen Teil ihrer Identität: den Bezug zu Spanien, wo die Marke einst gegründet wurde und über Jahrzehnte ein fester Bestandteil der Offroad-Szene war.
Ein Wendepunkt für die europäische Motorradindustrie
KTM spricht von einer „Bündelung von Ressourcen“ – Kritiker sehen den Beginn einer schleichenden Verlagerungaus Europa. Fakt ist: Die Branche steht unter enormem Druck. Steigende Kosten, schärfere Umweltauflagen und globaler Wettbewerb zwingen Hersteller dazu, ihre Strukturen anzupassen.
Die Entscheidung, GasGas nach Österreich zu holen, ist daher nicht nur eine Frage der Logistik. Sie steht sinnbildlich für die Zukunftsfrage der europäischen Motorradproduktion: Wie viel Europa steckt künftig noch in Marken, die einmal das Rückgrat des Kontinents waren?
Fazit
Die GasGas-Verlagerung nach Österreich ist strategisch nachvollziehbar – aber symbolisch brisant. KTM stärkt den Standort Mattighofen, doch die Worte von Rajiv Bajaj klingen nach: Wenn „die europäische Fertigung tot“ ist, stellt sich unweigerlich die Frage, ob Österreich die letzte Bastion bleibt – oder nur eine Zwischenstation auf dem Weg zu einer globalen Fertigungspolitik.
