KTM nimmt vom Standort Europa Abschied.

KTM nimmt vom Standort Europa Abschied.

Es war ein Satz, der in der Motorradszene wie ein Paukenschlag wirkte: „Die europäische Fertigung ist tot.“ Mit dieser drastischen Aussage machte Rajiv Bajaj, CEO von Bajaj Auto und Mehrheitsaktionär bei KTM, vor gut zehn Tagen klar, wohin die Reise geht. KTM, die Marke, die über Jahrzehnte wie kaum eine andere für europäische Ingenieurskunst und Rennsportleidenschaft stand, wird offenbar ihre Produktion nach und nach aus Europa abziehen, wenn man diese Aussage genauer betrachtet.

Das Ende einer Ära

Mattighofen – für viele Synonym für KTM. Hier liefen unzählige Sportenduros, Motocross-Bikes und Straßenmaschinen vom Band, hier wurde KTM zum Weltmarktführer im Offroad-Segment. Doch dieser Standort, einst Herz der Marke, verliert nun wohl seine Rolle als Produktionsstätte. Forschung, Entwicklung und Markenführung bleiben zwar, die Fertigung wandert womöglich jedoch in Richtung Indien.

Warum dieser Schritt?

Die Antwort ist ebenso nüchtern wie nachvollziehbar: Kosten und Effizienz. KTM hat in den vergangenen Jahren Milliarden verschlungen, um neue Modelle zu entwickeln und das Portfolio immer weiter auszubauen. Am Ende waren es schlicht zu viele Varianten, zu viele parallele Projekte – und zu wenig Rendite.

Rajiv Bajaj will das ändern. In Indien, wo bereits seit Jahren KTM-Modelle für den Weltmarkt gefertigt werden, erzielt sein Unternehmen Margen von über 30 Prozent. Eine Zahl, die in Europa unerreichbar scheint. Der Plan ist klar: weniger Modelle, schlankere Strukturen, mehr Effizienz.

Ein neuer Mann am Steuer

Gleichzeitig bedeutet dieser Schritt auch einen Abschied von Stefan Pierer, der KTM jahrzehntelang geprägt hat. Unter seiner Führung wuchs die Marke vom Nischenhersteller zum globalen Player. Doch nun übernimmt Gottfried Neumeister die Geschicke – mit dem klaren Auftrag, KTM auf einen neuen Kurs zu bringen.

Vorbild Triumph

Ganz neu ist der Gedanke nicht. Triumph zeigt bereits seit Jahren, dass eine Motorradmarke auch dann erfolgreich sein kann, wenn die Produktion nicht mehr in Europa, sondern in Asien liegt. Fast alle Triumph-Bikes stammen inzwischen aus Thailand – und trotzdem ist die Marke weltweit stärker denn je.

Zwischen Wehmut und Aufbruch

Was bleibt, ist die Frage: Bedeutet dieser mögliche Schritt das Ende von KTM, wie wir es kennen? Oder ist es genau dieser radikale Umbruch, der die Marke fit für die Zukunft macht? Fest steht: KTM wird internationaler, zugänglicher – und vermutlich auch günstiger.

Für Puristen ist das ein schmerzlicher Abschied. Für Pragmatiker ein notwendiger Schritt und für die Fans bleibt vorerst nur die Gewissheit: Die orangen Bikes werden bleiben – nur ihre Herkunft ändert sich wohl.