KTM Krise: Schwere Vorwürfe der Mitarbeiter
Die Insolvenz des österreichischen Motorradherstellers KTM hat nicht nur das Unternehmen selbst erschüttert, sondern auch das Leben der zahlreichen Mitarbeiter auf den Kopf gestellt. Was einst als wirtschaftlicher Erfolg gefeiert wurde, ist nun von Chaos, Entlassungen und massiven Vorwürfen überschattet. Mitarbeiter berichten von massiven Druckversuchen seitens des Unternehmens, vorzeitig aus dem Betrieb auszutreten. Die Methoden erinnern an die Praktiken aus einem schlechten Unternehmensthriller und werfen ernsthafte Fragen zur Unternehmenskultur auf.
Druck und Drohungen: Mitarbeiter unter Schock
„Wenn du nicht unterschreibst, dann putzt du das Klo!“, soll einem Mitarbeiter gedroht worden sein, der sich weigerte, den Vertrag über einen vorzeitigen Austritt zu unterschreiben. Laut Berichten von „Heute“ wurden viele Angestellte, die sich wehrten, in Einzelgespräche mit Vorgesetzten und Betriebsrat gezwungen, um sie doch noch zur Unterschrift zu bewegen. Diese Vorgehensweise zeigt nicht nur die Verzweiflung der Geschäftsführung, sondern auch den extremen Druck, den die Mitarbeiter ausgesetzt sind.
Doch der Druck hörte nicht bei den Unterschriften auf. Eine Mitarbeiterin berichtet von der Bedrohung, ihren lang geplanten Urlaub nicht antreten zu können, falls sie nicht unterschreibe. „Mir wurde gesagt, wenn ich nicht unterschreibe, wird mein Urlaub gestrichen und ich muss arbeiten“, erzählt sie entsetzt dem Heute Magazin. Ein solches Verhalten, insbesondere vor den Feiertagen, sorgt für Frustration und Verzweiflung unter den Betroffenen.
Kündigungen: Planlos und chaotisch
Die Entlassungen bei KTM scheinen planlos und willkürlich. Ein leitender Angestellter, beschreibt das Muster der Kündigungen als „Ich mag dich, ich mag dich nicht“. Die chaotische Vorgehensweise hat mittlerweile sogar zu handfesten Konflikten geführt. „Letzte Woche hatten wir nach einer Kündigung eine Schlägerei im Werk“, berichtet er. Diese eskalierenden Auseinandersetzungen zeigen das zunehmende Chaos und die Unsicherheit innerhalb des Unternehmens.
Psychischer Druck: Mitarbeiter leiden unter den Folgen
Der psychische Druck, dem die Mitarbeiter ausgesetzt sind, hat bei vielen bereits körperliche Spuren hinterlassen. „Ich leide seit der enormen Druckausübung an Schlafstörungen und Konzentrationsnachlass“, berichtet ein betroffener Angestellter ebenfalls gegenüber Heute. Diese Auswirkungen sind nicht nur eine Belastung für die betroffenen Mitarbeiter, sondern werfen auch ein schlechtes Licht auf das Management von KTM. Insbesondere der Betriebsrat scheint keine Unterstützung zu bieten, was die Frustration der Belegschaft weiter anheizt. „Die Leute fühlen sich von allen Seiten im Stich gelassen“, sagt ein Mitarbeiter.
Ein Mitarbeiter, laut eigener Aussage seit fast 30 Jahren bei KTM in einer leitenden Position tätig, bestätigt gegenüber 20 Minuten die beschriebenen Vorgehensweisene. “Die letzten Wochen musste ich leider, auch auf Druck von oben, weiter Druck auf meine Kollegen ausüben.“
Auf die Frage, ob Mitarbeiter tatsächlich zur Unterzeichnung des vorzeitigen Austritts aus dem Konzern gedrängt worden sind, betont Hans Lang, Konzernsprecher der Muttergesellschaft Pierer Industrie AG. “Wir üben selbstverständlich grundsätzlich keinen derartigen Druck auf Mitarbeiter aus.“
KTM vor dem finanziellen Kollaps
KTM befindet sich in einer finanziellen Krise, die sich in einer Insolvenz von rund zwei Milliarden Euro manifestiert. Hinzu kommt, dass etwa 130.000 Motorräder auf Lager liegen, die aufgrund neuer Euro-Normen wahrscheinlich nicht mehr verkauft werden können. Valentina H., eine betroffene Mitarbeiterin, beschreibt die Situation gegenüber dem Standard so: „Es wurde auf Teufel komm raus weiterproduziert, obwohl man die Lage schon kannte.“ Die Zukunft des Unternehmens sieht düster aus, und die Auswirkungen auf die Mitarbeiter sind dramatisch.
Für viele ist die Frage, ob sie ihren ausstehenden Lohn noch erhalten, ebenso ungewiss wie ihre berufliche Zukunft. „Ich kann nicht vom AMS (Arbeitsmarktservice, Anm. d. Red.) leben, muss meine Wohnung bezahlen“, erklärt eine Mitarbeiterin, die auf ihre noch ausstehenden Löhne wartet. Klar ist nur eines. Die Mitarbeiter stehen vor einer ungewissen Zukunft und müssen sich mit den Folgen der Insolvenz und der chaotischen Entlassungen auseinandersetzen.
Bundesheer wirbt um KTM-Mitarbeiter
Inmitten der Insolvenz von KTM gibt es zumindest für einige der betroffenen Mitarbeiter eine Hoffnung auf eine neue berufliche Perspektive: Das österreichische Bundesheer. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner sieht die wirtschaftliche Lage von KTM als Chance, speziell technisch ausgebildete Fachkräfte für das Heer zu gewinnen. „Das Heerespersonalamt hat bereits die Fühler ausgestreckt“, sagte sie während eines Truppenbesuchs im Kosovo. Auch bei der Insolvenz der Möbelkette Kika/Leiner habe das Heer bereits erfolgreich Mitarbeiter rekrutiert.
Tanner räumte ein, dass die Rekrutierung von Soldaten und Soldatinnen für Auslandseinsätze eine der größten Herausforderungen für das Heer darstellt. „Wenn natürlich jemand mehr Arbeitslosengeld kriegt, als wenn er bei uns im öffentlichen Dienst tätig wäre, dann ist da ein Fragezeichen dahinter“, erklärte sie. Trotz dieser Herausforderungen könnte die Insolvenz von KTM für viele von dessen technisch ausgebildeten Mitarbeitern eine neue berufliche Chance im öffentlichen Dienst bieten.
KTM auf der Kippe – und die Mitarbeiter mittendrin
Die Insolvenz von KTM stellt nicht nur das Unternehmen selbst auf die Probe, sondern auch seine Mitarbeiter. Die chaotischen Entlassungen, der enorme psychische Druck und die ungewisse Zukunft haben viele in eine schwierige Lage gebracht. Die Berichte über fragwürdige Praktiken und die mangelnde Unterstützung durch den Betriebsrat werfen einen Schatten auf das Management von KTM.
Während einige Mitarbeiter auf eine ungewisse Zukunft blicken, können andere vielleicht im österreichischen Bundesheer eine neue berufliche Perspektive finden. Doch für die Mehrheit bleibt es eine harte Zeit, in der die finanziellen Sorgen und die fehlende Planung des Unternehmens die größten Herausforderungen darstellen. Die Scherben eines einst erfolgreichen Unternehmens werden noch lange nicht gekehrt sein – und die Frage bleibt: Wie viel bleibt von einem Unternehmen übrig, wenn es die Würde seiner Mitarbeiter aus den Augen verliert?