KTM-Chef Neumeister: „Österreich bleibt das Herz von KTM“

Gottfried Neumeister der neue Chef von KTM.

Gottfried Neumeister der neue Chef von KTM. / Foto: E. Tschann

Nach der Krise zieht KTM-Chef Gottfried Neumeister Bilanz und spricht offen über Fehler, Lehren – und den Weg zurück zur Stärke.

Bei KTM läuft die Produktion nach zwei Fertigungsstopps wieder an. In Mattighofen und Munderfing kehrt langsam Normalität ein – und an der Spitze steht ein Mann, der die Lage ohne Umschweife beschreibt: „Man habe bei KTM Kundenorientierung und Qualität zugunsten der Größe vernachlässigt“, sagt CEO Gottfried Neumeister.

Seit gut einem Jahr führt er den Motorradhersteller, zunächst gemeinsam mit Stefan Pierer, inzwischen allein. Der Neustart ist kein einfacher, doch Neumeister gibt sich kämpferisch. „2026 werde noch schwierig, dann sei Besserung in Sicht.“

„Beim Handshake kannte ich nur die Rekordzahlen aus 2023“

Als Neumeister bei KTM einstieg, ahnte er nicht, wie ernst die Lage war. „Beim Handshake kannte ich nur die Rekordzahlen aus 2023“, schildert er im Gespräch mit dem Magazin trend. Doch schon kurz darauf zeigten sich die Probleme: „Unmittelbar vor meinem Start wurden im August 2024 die Halbjahreszahlen veröffentlicht, die bereits deutliche Alarmsignale enthielten, obwohl das alte Management versuchte, zu beschwichtigen. Es hat noch einmal sechs bis acht Wochen gedauert, bis sich dieses Bild verfestigt hat.“

Ende November 2024 folgte schließlich die Insolvenz in Eigenverwaltung. „Hätten wir nur zwei Tage später Insolvenz angemeldet, hätten wir nicht mehr genug Geld gehabt, um die 90 Tage in Eigenverwaltung durchzustehen“, so Neumeister. Während des Sanierungsverfahrens übernahm er zunehmend die Führung – und löste damit endgültig KTM-Urgestein Stefan Pierer ab.

„Pierers Lebensleistung bei KTM ist unbestritten. Irgendwann haben wir jedoch gesagt: Wenn einer das Segel in der Hand hat und der andere das Ruder, dann droht das Schiff zu kentern.“

„Man muss selbstkritisch sein“

Der neue CEO spart nicht mit klaren Worten. Rückblickend spricht er von einer Phase, in der sich das Unternehmen „verzettelt“ habe. „KTM hat über Jahrzehnte das Ziel verfolgt, der Beste zu sein. Leider ist man von diesem Ziel in den letzten Jahren ein wenig abgekommen. Das Ziel, der Größte sein zu wollen, ist in den Vordergrund gerückt.“

Dem habe man vieles untergeordnet: „Man hat den Kunden und die Qualität vernachlässigt. Zahlungsziele von bis zu 360 Tagen haben das Unternehmen in eine finanzielle Schieflage gebracht.“ Auch Beteiligungen wie MV Agusta und das Fahrradgeschäft hätten KTM geschwächt.

Ob es Managementfehler gegeben habe? „Ich möchte gar nicht urteilen. Aber ja, es gab Managementfehler, und ich finde, man muss selbstkritisch sein, weil sonst kann man gar nicht aus einer Krise lernen.“

„Das war eine Hochschaubahn der Gefühle“

Neumeister erinnert sich auch an emotionale Momente während der Sanierungsphase. Produktionsstopps, Kurzarbeit und Lohneinbußen gingen nicht spurlos an der Belegschaft vorbei. „Dass Belegschaft und Sozialpartner mitgemacht hätten, sei wirklich beeindruckend gewesen“, sagt er.

Ein Satz, der hängen bleibt: „Aber bald sei die erste Mitarbeiterin gekommen und habe gesagt, sie könne ihr Kind nun nicht aufs Sommercamp schicken. Glauben Sie mir, das war eine sehr emotionale Phase, eine Hochschaubahn der Gefühle.“

„Österreich bleibt das Herz von KTM“

Für Schlagzeilen sorgte zuletzt die Aussage von Rajiv Bajaj – „Die europäische Produktion ist tot.“ Neumeister sieht das gelassen: „Er selbst habe einen sehr guten und auch persönlichen Draht zu Rajiv Bajaj“, sagt er über den indischen Partner, dessen Konzern KTM mit einer Geldspritze gerettet hat und der wohl bald 75 Prozent der Anteile halten wird.

„Heute kommt bereits rund jedes zweite Motorrad unserer Konzernmarken aus Asien, vornehmlich die Volumenmodelle im Einstiegs- und Mittelklassesegment“, erklärt Neumeister. Forschung, Entwicklung und Premium-Modelle bleiben aber in Österreich.

„Indem wir ausgewählte Modelle in Indien oder China fertigen, sichern wir die Wettbewerbsfähigkeit und damit langfristig auch Arbeitsplätze und die Fertigung in Österreich“, so Neumeister. Und er versichert: „Österreich bleibt das Herz von KTM.“

„Die nächsten drei bis sechs Monate werden holprig“

Trotz aller Fortschritte bleibt der Ausblick vorsichtig. „Die nächsten drei bis sechs Monate werden bestimmt noch holprig werden. Es wäre illusorisch, zu glauben, dass man hier einfach durchsegeln kann“, sagt Neumeister. Auch im kommenden Jahr werde man „noch einschichtig fahren“ – was zwangsläufig rote Zahlen bedeutet.

„Wenn man so viel Betriebsleistung herausnimmt, kann man seine Fixkosten nicht verdienen. Das heißt, nächstes Jahr werden wir nicht positiv sein.“ Doch der Kurs steht: 2027 soll KTM wieder ein positives EBIT schreiben.

KTM hat turbulente Monate hinter sich – aber mit Neumeister an der Spitze, einem klaren Fokus auf das Kerngeschäft und dem Rückhalt der Belegschaft scheint der Neustart gelungen. Noch ist der Weg steinig, doch das Ziel ist klar formuliert: zurück zu Stabilität, Qualität – und zum sportlichen Selbstverständnis einer Marke, die sagt: Ready to Race.