Koch-Duell – der spannendste Titelkampf der Saison
Der spannendste Titelkampf der Saison fand nicht etwa im MXGP statt, oder bei den US Nationals oder im LA Coliseum, sondern in Westerhausen. Hier entschied sich an einem Sonntagnachmittag, in einem Rennen über 35 Minuten und 56 Sekunden, im direkten Duell zwischen Mann gegen Mann, Nico Koch gegen Tim Koch, wer am Ende den Titel in der Deutschen Meisterschaft Open holt.
Episches Duell im letzten Lauf
Mit knappen 2 Punkten Vorsprung vor Verfolger Tim Koch reiste Nico Koch zum letzten Meisterschaftslauf nach Westerhausen. Nach dem ersten Durchgang wendete sich das Blatt und Tim hatte wiederum 2 Punkte mehr als Nico auf der Habenseite. Die Krux bei der Sache war, dass Nico bei Punktgleichheit aufgrund seiner höheren Anzahl an Laufsiegen die Titel holen würde.
Wenn alles ohne große Ausrutscher läuft, war also ziemlich klar: Wer vor dem anderen durchs Ziel fährt, entscheidet den Titelkampf für sich. Die beiden lieferten sich fast das gesamte Rennen ein erbittertes Duell direkt hintereinander auf der Strecke. Doch bevor wir hier erzählen, wie das Koch-Duell ausging, haben wir beiden die gleichen Fragen gestellt. Die Antworten liest du hier:
Vor dem Finale lag Nico mit 2 Punkten Vorsprung vorn. Bist du das Wochenende in Westerhausen anders angegangen als sonst, oder war es für dich ein Race wie jedes andere?
Tim: 2 Punkte sind nichts und ich wusste genau, dass es um die Wurst geht. Mir war klar, dass ich den Titel holen konnte oder eben nicht. Mit Nico, Boris (Maillard), Lukas (Platt), Noah (Ludwig) und mir haben die ersten 5 in der DM immer einen gewissen Abstand zum Rest des Feldes und so ist es fast klar, dass es immer 16 Punkte gibt, wenn du dir keinen groben Schnitzer erlaubst. Ab den 16 Punkten gibt es immer 2 Punkte Unterschied zwischen den Plätzen, sodass man schon hin und her rechnet. Dennoch bin ich das Wochenende nicht anders angegangen als sonst und habe alles so gemacht, wie immer. Es soll auch so sein, dass mein seine gewohnten Routinen abspult, denn diese geben einem Sicherheit. Das war sicher auch der Schlüssel zu meinem Erfolg. Ich bin mit Ruhe und Gelassenheit das Wochenende angegangen und habe mir in der Vorbereitung Zeit gelassen. Am Donnerstag vor Westerhausen kratzte mir der Hals und ich fühlte mich scheiße, doch ich dachte nur „das hält mich nicht auf, Augen zu und durch!“ Es gab nur die Chance und sind wir mal ehrlich, mit 30 bin ich auch nicht mehr am Anfang meiner Karriere, sondern eher am Ende.
Nico: Ich bin das Wochenende relativ entspannt angegangen, weil ich wußte, wenn ich 100 Prozent gebe, dann kann ich nicht mehr machen. Am Ende würde man dann sehen, wer den Titel holt.
Vor dem letzten Rennen der Meisterschaft hatte Tim 2 Punkte Vorsprung. Beschreibe bitte den Rennverlauf aus deiner Sicht.
Tim: Genau das war mein Plan für den ersten Lauf: So weit wie möglich vor Nico zu sein und mehr Punkte zu holen als er. Trotzdem bin ich kein Risiko eingegangen. Vor dem zweiten Lauf war mir klar, dass es um die Wurst geht, denn selbst bei Punktgleichheit hätte Nico den Titel geholt. Das Rennen selbst war ein richtiger Fight. Lukas (Platt) hatte 3, 4 Sekunden Vorsprung und Nico und ich kamen Rad an Rad direkt dahinter. Das ging knappe 25 Minuten so, bis ich mir irgendwann dachte, dass ich nicht länger warten kann. Ich bin im Verlaufe des Rennens immer wieder andere Spuren gefahren, um zu schauen, wo ich gut überholen könnte. Die Strecke war sehr gut präpariert, sodass ich verschiedene Spuren wählen und kreativ sein konnte. 5 oder 6 Runden vor Schluss bin ich dann an Nico vorbei, es hatte sich jedoch schon ein paar Kurven vorher angebahnt. Kurz vor dem Ziel waren wir Rad an Rad und ich wollte schon in der einen Linkskurve vorbei, habe aber gemerkt, dass es für eine sichere Attacke noch nicht reicht. 3 Kurven später konnte ich von außen nach innen reinschneiden und ohne Wellen herausbeschleunigen, wodurch ich im Vorteil war. Es sah als Zuschauer so aus, als wenn wir uns berührt hätten, haben wir aber definitiv nicht. Ich überhole immer sauber und fair und war nie einer, der jemanden runterfährt, wie es zum Beispiel Barcia tut. Danach konnte ich meinen Vorsprung kontinuierlich ausbauen, auch wenn sich die letzten Runden wie eine Ewigkeit angefühlt haben. Es war richtig geil, besonders an der Box vorbei. Alle, meine Freunde von Turbine Gramont und viele mehr haben mich angefeuert. Es war ein geiles Ding, denn das war das, was man als Sportler erreichen will.
Nico: Tim’s zwei Punkte Vorsprung haben mich richtig motiviert. Ich war sehr heiß vor dem Rennen, weil ich wusste, dass ich nichts mehr zu verlieren hatte. Mein Start war supergeil und ich konnte schon in der zweiten Kurve die Führung übernehmen, die ich nach einem Fehler leider wieder verloren habe. Wir waren die gesamte Zeit im direkten Zweikampf, was sehr spannend war. Für mich war das ganze sehr schwierig, da Tim mir permanent im Nacken hing und sehen konnte, welche Spuren ich fuhr und wo er schneller ist. Ich wiederum konnte das nicht sehen und musste permanent verteidigen. Das war nicht einfach für mich. Tim hat’s dann in einer Kurve gut gemacht und war vorbei. Ich bin dann noch von der Strecke abgekommen, sodass Tim schon zu weit weg war, um noch einen Angriff zu setzen.
Ihr habt die Meisterschaft im direkten Duell auf der Strecke ausgetragen. War alles fair?
Tim: Es war alles fair und es gab keine Berührungen oder solche Dinge. Man muss sich aber bewusst sein, dass man schonmal rausgedrückt werden kann, es geht immerhin um einen DM-Titel. Doch selbst wenn jemand etwas versucht – wir haben zwei Augen und wir können vorauschauend fahren. Im Titelkampf muss man davon ausgehen, dass alles probiert wird und auch Blockpässe ausgeteilt werden. Ich wäre absolut damit zurechtgekommen, wenn Nico mich nach meinem Überholmanöver zurück attackiert oder geblockt hätte.
Nico: Meiner Meinung nach ist alles super fair verlaufen. Es gibt Leute, die sagen, Tim hätte mich unfair von der Strecke gedrängt. Da muss ich aber sagen, dass ich die Chance an seiner Stelle auf jeden Fall genau so genutzt hätte.
Was hat deiner Meinung nach dazu geführt, dass du am Ende den Titelkampf gewonnen/verloren hast?
Tim: Ich war an dem Tag besser und das hat auch Nico direkt nach dem Rennen gesagt, als er mir gratuliert hat. Ich hatte ein gutes Gefühl auf der Strecke, habe mich gut gefühlt und mein Motorrad fühlte sich gut an. Es war mein Ziel, mein Traum, den Titel noch einmal zu holen. Vor allem auch dieses Jahr mit 8 Veranstaltungen, statt wie 2021 mit der kurzen Saison von nur 3 Rennen. Ich wollte den Titel für mich, ich wollte es mir selbst beweisen, dass ich über 16 Rennen bei allen Bedingungen, von knüppelhart über Sand und Schlamm, den Titel holen kann. Das ganze Jahr über habe ich das Ziel und die damit verbundenen, positiven Emotionen immer wieder visualisiert. Das hat vielleicht auch weitere 5 Prozent gebracht. Es bringt einem viel, wenn man sich mit der Situation beschäftigt und nicht ins kalte Wasser geschmissen wird.
Nico: Die Situation im zweiten Lauf war für mich alles andere als einfach. Wie schon gesagt, hing Tim mir das gesamte Rennen im Nacken und konnte gucken, was mache ich, welche Spuren ich fahre und welche Spuren eventuell etwas besser sind, da es in Westerhausen sehr viel Spuren zur Auswahl gab. Auf der anderen Seite muss ich sagen, dass Tim an diesem Tag ein bisschen besser war als ich. Somit hat er gewonnen und ich verloren.
Die Strecke in Westerhausen sah anspruchsvoll, mit tiefen Spurrillen aus, wie man es auch aus der WM kennt. Bewerte bitte aus deiner Sicht den Event und die Strecke.
Tim: Die Strecke war richtig, richtig gut, da können sich viele Veranstalter etwas abschauen! Die haben dort zum ersten Mal ein Prädikat, wie das MX Weekend, veranstaltet und es war für alle Neuland. In gewisser Weise ein Schritt ins Ungewisse, aber für das erste Mal war das echt gut und sehr sehr gut vorbereitet. Es war aber auch zu erwarten, denn selbst beim normalen Training ist die Strecke immer perfekt vorbereitet. Durch das Grubbern wird die Strecke zwar langsamer, aber du schaffst damit Überholmöglichkeiten, viele tiefe Rillen, wenig Staub. Da brauchst du keine großen Sprünge. Die Strecke hatte Masters-Niveau, weil der Verein mit dem Boden auskennt und die Technik dazu hat. Es war perfekt. Ein Top-Job vom MC Westerhausen.
Nico: Westerhausen war top und hat mir richtig gut gefallen! Durch die tiefen Rillen gab es viele möglichen Spuren zu Auswahl. Besonders bei der DM ist genau das oft ein Thema, da viele Strecken eher einspurig sind. Westerhausen hat dahingehend viele Möglichkeiten eröffnet und hat es gleichzeitig sehr anspruchsvoll gemacht. Von mir gibt es absolut positives Feedback zur Strecke.
Wie ist dein persönliches Fazit der DM-Saison?
Tim: Es war eine gute Saison, mit vielen verschiedenen Strecken. Angefangen mit extremem Schlamm in Schnaitheim, über Aufenau, wo die Strecke gut vorbereitet war und viel Spaß gemacht hat. Leider wurde der zweite Lauf in Aufenau nach einem Sturz nach 14 Minuten abgebrochen und gewertet. Das war nicht wie im Reglement vorgeschrieben, der hätte gar nicht gewertet werden dürfen. Ich habe mich erst danach darüber belesen, hätte ich das vorher gewusst, hätte ich Einspruch einlegen können, weil ich es auch schwachsinnig finde, einen Lauf, der 30 Minuten plus 2 Runden geht, nach 14 Minuten zu werten. Aber gut, im Nachhinein kann man da nichts mehr machen. Zurück zu den Strecken, wo als nächstes Kamp-Lintfort kam, die typische Strecke zum 1. Mai. Es waren sehr knappe Läufe, die Nico für sich entschied, da ich das entscheidende Überholmanöver nicht gemacht habe. Ähnlich lief es in Genthin. In Aichwald und Dolle lief es dann besser für mich und mir ist schon vor Dolle bewusst geworden, dass ich langsam mal gewinnen muss, wenn ich den Titel noch gewinnen will. Es war eine Saison mit guten Leistungen und ich musste mir den Titel wirklich verdienen. Nico hat im Winter einen großen Schritt nach vorn gemacht und war ein harter Gegner.
Nico: Im Vergleich zu 2022 habe ich einen riesigen Step nach vorne gemacht. Zwei Overall-Siege in Kamp-Lintfort und Genthin konnte ich holen und in Kamp-Lintfort sogar als Doppelsieg, was mich richtig gefreut hat. Hier und da habe ich noch ein paar Fehler gemacht, die mir im Nachhinein vielleicht den Titel gekostet haben. Ich versuche an den Fehlern zu arbeiten und will nächstes Jahr wieder den DM-Titel angreifen.