Ken Roczen liefert ehrliche Analyse zu Jorge Prado

Ken Roczen analysiert die Probleme von Jorge Prado
Warum tut sich ein MXGP-Weltmeister in der AMA Pro Motocross so schwer? Ken Roczen kennt den Weg – und spricht offen über Setups, Teamdynamiken und mentale Herausforderungen.
Warum zündet es bei Prado (noch) nicht?
Jorge Prado steht im Rampenlicht – allerdings nicht als Titelanwärter, sondern als großes Fragezeichen der US-Motocross-Szene. Der amtierende MXGP-Weltmeister kam mit hohen Erwartungen aus Europa, doch bislang bleibt der ganz große Durchbruch in den USA aus.
Einer, der genau diesen Weg gegangen ist, meldet sich jetzt zu Wort: Ken Roczen. Und seine Einschätzung ist so ehrlich wie differenziert.
„Ich weiß, wie schwer der Wechsel sein kann“
„Ich kann mich gut in ihn hineinversetzen“, betont Roczen in einem kürzlich geführten Podcast. Der Deutsche wechselte 2011 selbst als junger Weltmeister über den Atlantik, kämpfte sich durch Trainingsumstellungen, neue Bikes und das andere Racing-Tempo der US-Serien.
Doch: „Ich bin schon überrascht, dass es bei Jorge noch nicht besser läuft“, sagt er offen. Besonders, weil der Spanier inzwischen mehrere Runden absolviert hat – aber kaum Fortschritte zu erkennen sind. Warum?
Bike-Fragezeichen: Fehlt das richtige Setup?
Ein großer Knackpunkt aus Roczens Sicht: das Motorrad. Prado wechselte von GasGas – also einem KTM-basierten Bike – zu Kawasaki. Ein Umstieg, der nicht nur in Farbe, sondern auch in Charakter riesige Unterschiede mit sich bringt.
„Wenn das Bike nicht zu dir passt, bist du einfach nicht schnell – so simpel ist das“, so Roczen. Selbst in einem Werksteam sei es möglich, dass man sich im Setup verrennt. Er erinnert an eigene Erfahrungen bei Honda, wo das „Fenster“ für eine gute Abstimmung zu klein war.
Besonders kritisch wird es, wenn das Team dem Fahrer nicht genug Vertrauen schenkt, seinen eigenen Weg mit dem Bike zu gehen. „Wenn du jemanden wie Larry Brooks (Teamchef von Roczen) hast, der dir glaubt – dann kannst du Gas geben. Wenn nicht, fährst du gegen eine Wand.“
Baustelle Gefühl – wie viel Mitspracherecht hat Prado?
Roczen vermutet, dass Prado aktuell noch zu wenig Einfluss auf die Entwicklung seiner Maschine hat. „Ich will immer genau wissen, was verändert wird – nur so kann ich ein Gefühl dafür entwickeln.“ Dieses techniknahe Verständnis sei entscheidend, um langfristig das perfekte Setup zu finden. „Wenn Jorge das noch fehlt – oder seine Rückmeldungen nicht richtig umgesetzt werden – wird’s schwierig.“
Neue Strecken, neue Probleme?
Ein weiterer Aspekt: die Strecken in den USA. Breiter, schneller, weniger Zeit zum Lernen – da kann man als Neuling schon mal ins Schwimmen kommen. Aber: „Die GPs sind vielleicht variantenreicher, aber nicht grundsätzlich schwieriger“, so Roczen.
Prado habe viele der US-Kurse bereits über TV oder Online verfolgt, kennt Linien und Layouts theoretisch bestens. „Am Ende musst du einfach schnell adaptieren. Und das kriegen manche besser hin als andere.“
Timing & Erwartungsdruck: Ist Prado zu spät gekommen?
Auch die Karrierephase spielt eine Rolle. Roczen kam jung und hungrig – als 250er-Fahrer ohne Erwartungsdruck. Prado dagegen wechselt als gestandener Champion in die 450er-Klasse. Die Erwartung: Sofort abliefern.
„Er ist kein Kind mehr. Er hat Titel. Da schaut jeder genau hin.“ Gleichzeitig, so Roczen, sei das Umfeld heute professioneller. „Es gibt viel mehr Unterstützung und Austausch. 2011 war’s eher: Flugticket, Helm auf, los geht’s.“
Roczens Fazit: „Er wird es packen – aber wie lange dauert’s?“
Trotz aller Kritik bleibt Ken Roczen positiv gestimmt: „Ich bin sicher, er wird’s rausfinden.“ Doch der Deutsche stellt die entscheidende Frage: Wie lange braucht Prado noch – und reicht es dann, um gegen Fahrer wie Jett Lawrence, Eli Tomac oder Aaron Plessinger zu gewinnen?
„Aktuell ist es eine Baustelle“, sagt Roczen bildhaft. „Du brauchst Zeit, du brauchst Geduld – und du musst tief graben, um zu finden, was du brauchst, um dich wohlzufühlen.“
Zwischen Hoffnungen und Fragezeichen
Die Erwartungshaltung bleibt hoch. Jorge Prado ist nicht zum Lernen gekommen – sondern um zu gewinnen. Doch der Weg durch Amerikas Motocross-System ist tückisch. Mit Ken Roczen hat er einen der wenigen, der versteht, wie es sich anfühlt, wenn ein ganzes Land zusieht – und du dich selbst noch suchst.