Glenn Coldenhoff: Die Geschichte hinter seinem Brasilien-Deal
Glenn Coldenhoff sitzt 2026 wieder auf einer Yamaha. / Foto: Miguel Campano
Denn das, was oberflächlich wie ein überraschender Transfer aussieht, ist in Wahrheit ein Wendepunkt in der Karriere eines Fahrers, der seit anderthalb Jahrzehnten zu den verlässlichsten Konstanten im Grand-Prix-Sport gehört. Glenn Coldenhoff, mehrfacher GP-Sieger, Nations-Held, Podiumsgarant und 2025 amtierender WM-Dritter, hätte eigentlich jedes Recht darauf, auch 2026 im MXGP-Paddock ein Top-Sattel zu haben. Doch genau diese Option gab es nicht – zumindest nicht in der Form, die seiner Leistung und seinem Anspruch gerecht geworden wäre.
Und genau hier beginnt das Kapitel, das niemand erwartet hat, das aber so viel über den Sport, über Loyalität, über Selbstwert und über Mut verrät.
Ein Neustart, der nicht geplant war – aber plötzlich völlig Sinn ergab
Als Coldenhoff nach der Saison 2025 seine Zukunft sortierte, stand er zum ersten Mal seit vielen Jahren vor einer Situation, die nicht er, sondern der Markt diktierte. Teams strafften ihre Strukturen, Budgets schrumpften, Prioritäten verschoben sich. Selbst ein Fahrer, der gerade noch auf WM-Rang drei stand, musste feststellen, dass die angebotenen Pakete zwar existierten – aber nicht dem entsprachen, was ein erfahrener Spitzenathlet für eine weitere Saison auf Weltmeisterschaftsniveau benötigt.
Statt also zähneknirschend Kompromisse einzugehen, entschied Coldenhoff etwas anderes: Er entschied für sich. Und für einen Weg, der ihn an einen Ort führt, an dem er nicht nur Fahrer, sondern Fixpunkt eines wachsenden Motorsports sein wird.
Der brasilianische Anruf, der alles veränderte
Die ersten Gespräche mit dem Yamaha C6 Bank IMS Racing Team begannen fast beiläufig am Rande des Motocross of Nations. Doch schnell wurde klar, dass die Brasilianer etwas sahen, was der MXGP-Markt in diesem Moment übersah: den Wert von Erfahrung, Professionalität und einer Persönlichkeit, die Fans wie Fahrer inspiriert.
Während Europa zögerte, öffnete Brasilien die Arme. Und die Fans taten es gleich doppelt. Noch bevor Coldenhoff jemals brasilianischen Boden betreten hat, fluteten Glückwünsche und Willkommensbotschaften seine Accounts – nicht als höflicher Applaus, sondern als echte Euphorie.
Ein neues Abenteuer – aber kein Abschied von Europa
Coldenhoff wird auch 2026 in den Niederlanden leben, trainieren und seine Routine beibehalten. Er pendelt für die Rennen nach Brasilien und kehrt danach wieder nach Hause zurück. Ein Zweikontinente-Jahr – intensiv, aber strukturiert.
Parallel dazu baut er sein eigenes kleines Rennprogramm in Europa auf. Er wird Vorsaisonrennen in Frankreich, Italien oder Großbritannien fahren, Klassiker wie Hawkstone oder Lierop, und auch Veranstaltungen im Beneluxraum wie Keiheuvel. Für seine Fans bedeutet das: Er bleibt präsent. Er bleibt sichtbar. Er bleibt einer von ihnen.
MXGP-Einsätze? Eine Option. Wenn das Setup stimmt, wäre ein Heimrennen wie Arnhem definitiv ein Kandidat.
Warum weder MXGP noch die USA passten
Sowohl in der MXGP als auch in den USA gab es Möglichkeiten – aber keine, die in Summe passten. Auf höchstem Niveau zu fahren, verlangt ein Umfeld, das sportliche Ambitionen, technische Qualität und finanzielle Wertschätzung zusammenbringt. Für 2026 tat es das nicht.
In den USA kommt hinzu, dass Teams fast nur Fahrer verpflichten, die sowohl Supercross als auch Outdoors bestreiten – ein Modell, das für Coldenhoff schlicht nicht realistisch ist.
Damit blieb Brasilien nicht die Notlösung, sondern die logische Wahl für jemanden, der seine Karriere mit Würde, Haltung und klaren Prioritäten fortsetzen will.
Warum Brasilien genau der richtige Ort zur richtigen Zeit ist
Wer die brasilianische Motocross-Szene kennt, weiß: Dort brennt der Sport. Die Fans sind laut, leidenschaftlich und loyal. Die Events ziehen Zehntausende an, manche Rennen wirken wie Festivals.
Für Glenn Coldenhoff, der 15 Jahre lang auf denselben GP-Strecken unterwegs war, fühlt sich Brasilien wie ein Neuanfang an – einer mit Herzschlag. Mit neuen Tracks. Mit neuen Menschen. Mit einer Begeisterung, die man fast greifen kann.
2026 wird groß. Viel größer, als viele denken.
Das kommende Jahr wird mehr als ein Wechsel in eine andere Meisterschaft. Es wird ein Abenteuer zwischen zwei Welten, zwischen Familie und Fernreisen, zwischen neuen Herausforderungen und alten Stärken.
Vielleicht öffnet Brasilien Türen, die heute noch niemand sieht. Vielleicht führt der Weg 2027 zurück in die WM. Vielleicht entsteht ein völlig neues Kapitel, das nur darauf wartet, geschrieben zu werden.
Aber sicher ist: Glenn Coldenhoff hat nicht losgelassen. Er hat nicht reduziert. Er hat erweitert. Und genau deshalb wird diese Entscheidung im Rückblick vielleicht eine der wichtigsten seiner gesamten Laufbahn sein.
