FRHPhe-02 Chaos – wenn Regeln schneller sind als die Realität
Der Fly Racing Formula S Helm erfüllt die neuen FRHPhe-02 FIM Helmregularien für die Saison 2026. / Foto: FLY
Eigentlich sollte es ein klarer Schritt nach vorn sein: mehr Sicherheit, einheitliche Standards, verbindliche Regeln. Doch was die FIM mit den neuen FRHPhe-02 Helmzulassungen ab 2026 ausgelöst hat, wirkt aktuell weniger wie Fortschritt – und mehr wie ein organisatorischer Blindflug.
Denn pünktlich zum ersten großen internationalen Event des Jahres, der Dakar, zeigt sich ein Bild, das man so kaum erwarten durfte: Verunsicherung, Improvisation, Ratlosigkeit. Fahrer, Teams und Techniker stehen vor der simplen, aber existenziellen Frage: Dürfen wir überhaupt starten?
Drei Jahre Zeit – und trotzdem nicht vorbereitet
Die neue Homologation FRHPhe-02 wurde bereits im November 2022 eingeführt. Ab 2026 ist sie für FIM-Offroad-Wettbewerbe verpflichtend, für 2025 wurde sie dringend empfohlen. Drei Jahre Vorlauf also – eigentlich genug Zeit für Hersteller, Prozesse anzupassen, Prüfungen durchzuführen und Modelle zu homologieren.
Die Realität sieht anders aus. Ein Blick auf die öffentlich zugängliche Liste der zugelassenen Helme zeigt: Nur eine sehr überschaubare Anzahl von Herstellern hat die Anforderungen tatsächlich erfüllt. Noch ernüchternder wird es bei den Größen: Nur ein Bruchteil der zugelassenen Modelle deckt alle relevanten Größen ab. Für viele Fahrer bedeutet das ganz konkret: Es gibt keinen legalen Helm, der passt.
Besonders kritisch wird es im Nachwuchsbereich: Aktuell ist Fly Racing der einzige Hersteller, der überhaupt einen FRHPhe-02-homologierten Helm für Kinder anbietet. Die kleinste zugelassene Größe liegt bei YL (51–52 cm). Alles darunter? Faktisch nicht existent. Für junge Fahrer, Familien und Teams bedeutet das: Regel erfüllt – Auswahl gleich null oder auf die nächstgrößere Größe und damit auf den kleinsten Erwachsenenhelm Größe XS (53-54 cm) zurückgreifen.
Kontrolle trifft auf Chaos
Was auf dem Papier nach klarer Regulierung klingt, endet vor Ort im Chaos. Fahrer reisen an – und wissen nicht, ob ihr Helm akzeptiert wird. Nicht wegen mangelnder Sicherheit, sondern wegen eines fehlenden Labels. Ein Detail, das über Start oder Nicht-Start entscheidet.
Und damit stellt sich zwangsläufig die unangenehme Frage: Hat die FIM den Markt überschätzt – oder die Umsetzbarkeit unterschätzt?
Sicherheit darf kein Papiertiger sein
Natürlich: Niemand stellt den Sicherheitsgedanken infrage. Im Gegenteil. Doch Sicherheit funktioniert nur dann, wenn sie praktisch umsetzbar ist. Wenn Regeln schneller kommen als Produkte, entsteht kein Fortschritt, sondern ein Vakuum. Und genau in diesem Vakuum stehen aktuell viele Fahrer.
Dass ausgerechnet bei der Dakar – einem Rennen, das für Extreme, Professionalität und Vorbereitung steht – über mögliche Ausnahmeregelungen spekuliert wird, wirkt fast surreal. Wird die FIM tatsächlich „ein Auge zudrücken“? Und wenn ja: Warum dann überhaupt die Dringlichkeit und der Druck?
Ein System, das sich selbst einholt
Der Eindruck drängt sich auf, dass hier ein Regelwerk geschaffen wurde, ohne die gesamte Kette zu Ende zu denken: Hersteller, Lieferzeiten, Zertifizierungen, Verfügbarkeit. Die Verantwortung wird nach unten weitergereicht – bis sie beim Fahrer landet. Und der steht dann plötzlich ohne Lösung da.
Wenn neue Standards wirklich die Sicherheit erhöhen sollen, müssen sie frühzeitig kommuniziert, realistisch eingeführt und konsequent begleitet werden. Alles andere sorgt nicht für Schutz, sondern für Unsicherheit.
Die offene Frage bleibt
Die neue Helmnorm ist gekommen, um zu bleiben. Aber der Zeitpunkt, die Umsetzung und die aktuelle Situation werfen Fragen auf – kritische, berechtigte Fragen. Denn Regeln, die auf dem Papier sinnvoll sind, verlieren ihre Wirkung, wenn sie an der Realität vorbeigehen.
Was bleibt, ist die Hoffnung, dass aus diesem „Total Chaos“ zumindest eine Lehre gezogen wird. Sicherheit beginnt nicht beim Etikett – sondern bei Verantwortung. Und die liegt nicht nur beim Fahrer.
FRHPhe-02 Herstellerliste Stand 26.12.2025
- NEU: FLY Racing Formula S (Gr. YL – XS – S -M)
- NEU: Leatt MOTO 9.5 (Gr. M)
- Airoh Aviator 3 EVO (Gr. XS – S -M – L – XL – XXL)
- Acerbis AIRSTRIKE FIM RACING #2 (Gr. XS – S – M)
- 6D ATR-3 (Gr. XS – S – M – L – XL – XXL)
- Alpinestars S-M10 (Gr. M – L)
- Bell MOTO 10-GP (Gr. XS – S – M – L – XL)
- LS2 X-FORCE PRO ((Gr. XS – S – M – L – XL – XXL – XXXL)
- Arai MX-V FIM Racing#2 (Gr. XS – S – M – L – XL)
- Just1 J18 (Gr. M)
