Fehlende Überholmöglichkeiten – MXGP Streckenteam im Fokus

Kay de Wolf beim MXGP of Germany im Zweikampf mit Camden McLellan

Kay de Wolf beim MXGP of Germany im Zweikampf mit Camden McLellan

Nach erneuter öffentlicher Kritik an den begrenzten Überholmöglichkeiten in der MXGP wollten wir auch die andere Seite der Medaille beleuchten – und haben mit Streckenbauer Freddy Verherstraeten gesprochen, der uns einen Einblick in seine Arbeit gab.

In der laufenden Saison der FIM Motocross-Weltmeisterschaft (MXGP) steht ein Thema verstärkt im Mittelpunkt: die fehlenden Überholmöglichkeiten auf vielen WM-Strecken. Fahrer wie Jeffrey Herlings, Romain Febvre und Simon Längenfelder haben sich wiederholt kritisch geäußert. Ihre zentrale Beobachtung: Selbst mit höherem Tempo sei es oft kaum möglich, während des Rennens an direkten Konkurrenten vorbeizugehen.

Für Zuschauer bedeutet das: weniger Spannung, weniger Positionskämpfe. Und für die Fahrer wird ein schlechter Start schnell zum entscheidenden Nachteil.

Start wird zum Schlüsselmoment

Die Entwicklung ist deutlich zu beobachten: Viele Rennen entscheiden sich zunehmend schon in den ersten Kurven. Denn wer zu Beginn zurückfällt, findet im Rennverlauf oft keine echten Möglichkeiten mehr, um sich systematisch nach vorn zu arbeiten.

Zuletzt sorgte das Rennen in Matterley Basin für Diskussionen – insbesondere der zweite Lauf der MXGP-Klasse, in dem es in den Top 10 zu keinem einzigen Überholmanöver kam. Eine Statistik, die den Kern der aktuellen Kritik unterstreicht.

Tom Koch: „Nur eine Spur trocken – da kannst du nicht überholen“

Auch Tom Koch, Beta-Werksfahrer in der MXGP, sieht einen wesentlichen Grund für das Überholproblem in der Streckenpflege, insbesondere im Umgang mit der Bewässerung. Seiner Einschätzung nach sind die Strecken teilweise zu stark gewässert, wodurch sich tiefe Spurrillen bilden und die Ideallinie zur einzigen sinnvollen Option wird.

Am Beispiel des Grand Prix in Ernée beschreibt er, dass außerhalb der Hauptlinie kaum befahrbare Passagen vorhanden waren, da der Boden dort zu tief und zu feucht war. Ein ähnliches Szenario zeigte sich aus seiner Sicht auch in Matterley Basin. Während die Strecke am Samstag noch mehrere Linien zuließ, führte die intensive Bewässerung über Nacht dazu, dass am Sonntag nur eine trockene Linie übrig blieb. Dadurch wurden alternative Fahrwege unattraktiv und echte Überholmöglichkeiten stark eingeschränkt.

Streckenbau im Spannungsfeld von Zeitdruck und Technik

Auch Freddy Verherstraeten, Streckenbauer der MXGP, kennt die Diskussionen. Er betont, dass sich das Streckenteam regelmäßig selbst die Frage stellt, wo das Problem liegt – sei es am Layout, an den Bodenverhältnissen oder an den Motorrädern selbst.

Ein großer Faktor sei der straffe Zeitplan eines Rennwochenendes. Mit Klassen wie MXGP, MX2, EMX und weiteren Serien bleibt während des Events nur wenig Spielraum, um gezielt an Linienführungen oder dem Zustand der Strecke zu arbeiten. Anpassungen zwischen den Sessions sind meist stark limitiert – nicht zuletzt aus organisatorischen und sicherheitsrelevanten Gründen.

Moderne Technik beeinflusst Fahrverhalten

Verherstraeten weist außerdem auf die technische Entwicklung hin, die das Verhalten auf der Strecke mitbestimmt. Moderne Motocross-Maschinen verfügen über enorme Beschleunigung und leistungsstarke Fahrwerke. Dies führt seiner Meinung nach dazu, dass viele Fahrer sehr lange an der Ideallinie bleiben. Selbst stark beanspruchte Innenlinien mit tiefen Spurrillen bieten durch die Fahrzeugtechnik oft noch genügend Traktion, um schnell zu bleiben.

Alternative Linien, etwa über Außenbahnen, bieten daher aus sportlicher Sicht oft keinen klaren Vorteil mehr – was Überholmanöver zusätzlich erschwert.

Zusammenarbeit statt Schuldzuweisung

Verherstraeten macht deutlich, dass die Ursachen für das Problem komplex sind – und nicht allein auf ein einzelnes Element reduziert werden können. Entscheidend sei, dass alle Beteiligten im MXGP-Umfeld gemeinsam nach Lösungen suchen.

Er betont die Bedeutung eines kontinuierlichen Austauschs zwischen Streckenbauern, Fahrern, Teams und Veranstaltern. Nur so ließen sich sinnvolle Anpassungen entwickeln – etwa durch gezieltere Bodenbearbeitung, bewusst aufgearbeitete Linien oder angepasste Layouts mit mehreren fahrbaren Spuren.

Die MXGP steht vor einer gemeinsamen Aufgabe

Die Diskussion um Überholmöglichkeiten in der Motocross-WM ist berechtigt – und spiegelt die Realität vieler Rennen wider. Damit die Serie auch künftig für Fahrer wie Fans gleichermaßen attraktiv bleibt, braucht es eine enge Abstimmung und die Bereitschaft, neue Wege zu denken.

Der Sport steht hier vor einer kollektiven Herausforderung. Nicht mit Schuldzuweisungen – sondern mit dem Ziel, den Motocross-Sport weiterzuentwickeln und die Rennen wieder offener und spannender zu gestalten.