400.000 Euro Jahresgehalt – zu viel für einen MXGP-Piloten?
Glenn Coldenhoff steht momentan ohne Bike für die Saison 2026 da. / Foto: Ralph Marzahn
Im Fahrerlager wird selten offen über Geld gesprochen – höchstens, wenn der Motor zu heiß läuft. Doch hinter vorgehaltener Hand kursieren Zahlen, die in der MXGP-Szene für Gesprächsstoff sorgen: Sechsstellige Jahresgehälter für Werksfahrer sind längst keine Ausnahme. Klingt nach viel – aber ist es auch zu viel?
Ein harter Job mit hohem Preis
Motocross ist ein Knochenjob. 20 WM-Rennen, ständiges Reisen, körperliche Grenzerfahrungen und das allgegenwärtige Risiko, dass eine falsche Landung alles beendet. Wer in dieser Liga fährt, lebt am Limit – physisch wie mental.
Im Vergleich zu MotoGP oder Superbike, wo Spitzenfahrer locker siebenstellige Summen kassieren, wirken die rund 400.000 Euro Jahresgehalt + Boni, die Brancheninsider Glenn Coldenhoff zuletzt zuschreiben, fast schon bodenständig.
Doch während das Adrenalin auf der Strecke konstant hoch bleibt, geraten die Budgets im Hintergrund zunehmend unter Druck.
Fantic zwischen Neustart und Realität
Ein Paradebeispiel dafür ist Fantic Motor. Mit viel Enthusiasmus und ehrgeizigen Plänen stieg die italienische Marke in die MXGP ein – nicht zuletzt dank Glenn Coldenhoff, der von der Yamaha zur Saison 2024 auf Fantic wechselte.
Der Niederländer, bekannt für seine akribische Arbeitsweise und seinen unermüdlichen Einsatz, war als erfahrener Leitpilot gesetzt. Nach Jahren bei Suzuki, KTM und Yamaha brachte er Routine, Glaubwürdigkeit und Speed – alles Zutaten, um das junge Fantic-Projekt auf Kurs zu bringen.
Doch kaum zwei Jahre später ist das Kapitel vorerst beendet: Fantic Motor selbst rutschte in finanzielle Schieflage und unterzog sich einem Restrukturierungsverfahren. Das von Louis Vosters, bis zum Ende der Saison 2025, geführte Werksteam wurde umgebaut, und Coldenhoff steht plötzlich ohne Bike da. Ein bitterer Rückschlag für einen Fahrer, der sich über Jahre hinweg als einer der konstantesten und professionellsten MXGP-Akteure etabliert hat.
Wenn Leidenschaft auf Excel trifft
Fantic war angetreten, um mit Mut und frischem Design den großen Marken Paroli zu bieten. Doch die wirtschaftliche Realität bremste die sportliche Vision. Ein Fahrer wie Coldenhoff – erfahren, medienwirksam, zuverlässig – ist teuer.
Und in Zeiten, in denen selbst KTM unter dem neuen Haupteigner Bajaj Auto die Kosten halbieren möchte, wird jeder Vertrag genau geprüft.
Für Fantic Motor kam alles zusammen: hohe Kosten, ein kleineres Händlernetz, die Folgen wirtschaftlicher Fehlentscheidungen – und schließlich die Restrukturierung. Da bleibt selbst für das Projekt MXGP und einen Weltklassefahrer kaum Spielraum, selbst wenn die sportliche Leistung stimmt.
Neue Struktur, neue Richtung
Trotz der wirtschaftlichen Schieflage will Fantic das MXGP-Projekt nicht aufgeben, sondern neu aufbauen – künftig unter der Leitung von Jacky Martens, der bereits in der Vergangenheit als Factory-Teammanager und klarer Struktur überzeugte. Mit ihm soll das Werksteam langfristig stabilisiert werden.
Anstatt auf etablierte Topstars wie Coldenhoff (Punktedurchschnitt 33,9) zu setzen, richtet Fantic den Blick nun auf Fahrer aus der „zweiten Reihe“: Brent van Doninck (Punktedurchschnitt 16,17) und Alberto Forato (Punktedurchschnitt 13,14) sollen das neue Aufgebot bilden – auch wenn eine offizielle Bestätigung bislang aussteht.
Ein klares Signal: weniger Kosten, mehr Kontinuität. Fantic versucht offenbar, den Spagat zwischen wirtschaftlicher Vernunft und sportlicher Präsenz zu schaffen – ein Balanceakt, der zeigen wird, ob man sich auch ohne große Namen im Haifischbecken der MXGP behaupten kann.
Ein Fahrer ohne Bike – ein Markt in Bewegung
Dass ein Fahrer wie Glenn Coldenhoff aktuell ohne Vertrag für 2026 dasteht, zeigt, wie stark sich der MXGP-Markt verschoben hat. Die Zahl der Werksteams ist begrenzt, die Budgets noch stärker. Gleichzeitig drängen junge, günstigere Talente nach – sportlich hungrig, wirtschaftlich attraktiver.
Doch die Erfahrung eines Fahrers wie Coldenhoff bleibt unbezahlbar: Er gilt als einer, der Teams Stabilität bringt, junge Fahrer führt und in der Lage ist, unter Druck konstant zu liefern. Ob Yamaha, KTM oder Fantic – wo er fährt, herrscht Struktur. Genau das fehlt derzeit vielen Projekten.
Zwischen Herzblut und Zahlenkolonnen
Motocross lebt von Emotionen – nicht von Bilanzen. Doch ohne solide Finanzen gibt es keine Factory-Bikes, keine Testprogramme, keine Siege. Im Falle KTM – mit Bajajs angekündigten Einsparungen von bis zu 50 Prozent in Forschung, Marketing und Rennsport steht fest: Die goldenen Zeiten großzügiger Fahrerverträge sind vorbei. Selbst Topstars werden künftig stärker an Leistung und Markenwert gemessen.
400.000 Euro – verdient, aber unter Druck
Ein Jahresgehalt von rund 400.000 Euro ist für einen MXGP-Factory-Piloten kein Luxus, sondern der Gegenwert jahrelanger Erfahrung, sportlicher Konstanz und physischer Opferbereitschaft. Doch die Balance verschiebt sich: Die Hersteller rechnen schärfer, die Wirtschaft diktiert den Sport.
Der Fall Fantic und Glenn Coldenhoff steht sinnbildlich für diesen Wandel – zwischen Leidenschaft und Liquidität, zwischen Siegeswillen und Sparkurs. Der Gasgriff mag auf der Strecke weiter am Anschlag stehen – doch in den Chefetagen wird längst vorsichtig gekuppelt.
