Zwischen Vision und Wirklichkeit: Wo die WSX heute wirklich steht
Tom Burwell, WSX CEO und Jeff Emig Teil des Broadcast Team. / Foto: SX Global
World Supercross (WSX) verkauft sich gerne als globaler Supercross-Neustart, doch hinter dem Projekt steckt in erster Linie ein Investmentmodell. CEO Tom Burwell arbeitet nicht aus Leidenschaft für Offroad, sondern als eingesetzter Manager eines Sportinvestment-Konzerns, der sonst Premier-League-Clubs und andere IPs kontrolliert. Der Fokus liegt klar auf Wachstum, Monetarisierung und Marktpotenzial – weniger auf Tradition oder purer Rennleidenschaft. Schon die Art, wie Burwell über Algorithmen, Content-Strategien und Regierungsdeals spricht, zeigt, wohin die Reise geht: Die WSX wird gebaut, um als Produkt zu funktionieren, nicht als Kulturbewegung.
Burwell spricht in einem Interview mit Lewis Philipps erstaunlich offen darüber, dass World Supercross in der Vergangenheit Vertrauen verspielt hat. 2024 war nicht viel mehr als Schadensbegrenzung: vier Events, kaum Gestaltungsspielraum und das Ziel, überhaupt mal das zu liefern, was angekündigt wurde. Dass die Serie überhaupt betonen muss, „zu tun, was wir sagen“, sagt viel darüber aus, wie holprig die Vorgeschichte war. Die abgesagte Malaysia-Runde bestätigt das Problem: Intern beschreibt Burwell den Schritt als rationalen Wendepunkt, doch für Teams und Fans bleibt der Eindruck eines Formats, dem es weiterhin an Planungssicherheit mangelt.
Wachstum mit Vollgas – aber auf wackeligem Fundament
Die Pläne bleiben groß: fünf Rennen auf fünf Kontinenten in diesem Jahr, sieben bis acht Events in 2026. Burwell betont, die WSX wolle nicht die amerikanische SMX-Serie überholen, sondern ergänzen. Sportlich ist das realistisch, denn die WSX fährt qualitativ weiterhin hinterher. Die absoluten Topfahrer fehlen teilweise, was Burwell zwar einräumt, aber nicht als Kernproblem betrachtet. Für viele Fans jedoch stellt sich die Frage: Wie soll eine Serie „World Supercross“ heißen, wenn sie sportlich nicht auf Weltspitzenniveau agiert? Ambition und Realität klaffen hier noch auseinander.
Content-Maschine statt Rennformat
Auffällig ist, wie sehr die WSX sich selbst als Medienunternehmen versteht. Burwell beschreibt die Serie als Produktionsfirma, deren Hauptprodukt Inhalte sind – digital, physisch, algorithmusgerecht. Die „World Dirt Collective“ soll nicht nur die WSX, sondern das gesamte Dirtbike-Universum medial vereinnahmen. Der Sport wird damit zum Rohstoff für Reichweite und Vermarktung. Für die einen ist das moderner Zeitgeist, für die anderen eine gefährliche Verschiebung, bei der sportliche Substanz und Fantradition hinter Marketingzielen zurückstehen.
Geld als Motor – und als Risiko
Startgelder, Teamfinanzierung, hohe Preisgelder: Die WSX kauft derzeit seine Relevanz ein. Das ist in der Aufbauphase logisch, aber riskant. Wenn Stars sich an gut bezahlte Auftritte gewöhnen, entsteht ein Erwartungsniveau, das langfristig kaum zu halten ist. Burwell behauptet zwar, die WSX habe sich nicht in die Ecke manövriert, doch die Abhängigkeit von Investorengeld und staatlicher Unterstützung ist offensichtlich. Eine selbsttragende Wirtschaftlichkeit liegt noch weit entfernt.
Optik und Realität: Noch lange kein Big-Time-Produkt
Burwell selbst gibt zu, dass zu große Stadien aktuell eher schaden als helfen. Kleinere, maßgeschneiderte „Pop-up“-Setups funktionieren besser – und sehen besser aus. Damit bestätigt er indirekt, dass die WSX 2025 noch weit vom Premium-Anspruch entfernt ist, den der Name suggeriert. Die Serie wirkt eher wie ein ambitioniertes Konzept, das noch nach seiner endgültigen Form sucht, statt wie ein etabliertes Weltklasse-Produkt.
Ambition trifft Wirklichkeit
Die World Supercross Championship hat einen klaren Plan, starke Finanzierung und einen CEO, der nicht davor zurückschreckt, Probleme beim Namen zu nennen. Doch trotz aller Vision bleibt die WSX heute mehr Business-Case als fertiges Rennsportprodukt. Die Basis muss stabiler werden, die sportliche Spitze breiter, und die Glaubwürdigkeit solider, bevor die Serie wirklich dort ankommt, wo sie sich selbst sieht.
Bis dahin gilt: Große Worte gibt es genug. Jetzt muss die WSX zeigen, dass sie auch liefern kann.
