Motocross-Rahmen: Alu vs. Stahl – die ewige Diskussion

Der Motocross rahmen einer KTM 250 SX F FACTORY EDITION.

Der Motocross rahmen einer KTM 250 SX F FACTORY EDITION. / Foto: Philip Platzer

Die Diskussion um Motocross-Rahmen ist ein Dauerbrenner. Seit Ewigkeiten streiten Fans, Fahrer und Techniker darüber, ob der Alurahmen wirklich das ultimative Werkzeug ist oder ob der Stahlrahmen nicht doch die bessere Wahl im brutalsten Offroad-Sport der Welt bleibt.. Doch selten hat die Debatte so viel Futter bekommen wie in den vergangenen Monaten.

Der eine, Chase Sexton, findet erst dann wieder zu seiner Form, als er auf ein Alu-Chassis zurückkehrt. Der andere, Jorge Prado, verliert genau dann seinen Flow, als er zum Alurahmen wechselt – und findet ihn erst auf KTM und dem vertrauten Stahlrahmen wieder. Zwei Champion-Karrieren, die aktuell deutlicher denn je zeigen, wie extrem unterschiedlich diese Konzepte funktionieren.

Chase Sexton: Der Perfektionist, der nur auf Alu komplett frei ist

Sexton war schon immer ein Fahrer, der ein Motorrad nicht einfach fährt – er seziert es. Jede Bewegung, jeder Winkel, jede Lastwechselphase ist bei ihm fast chirurgisch präzise. Und genau deshalb fühlt er sich auf einem Alurahmen zu Hause. Das Bike reagiert direkt, bleibt stabil, bietet ein klares Feedback und zwingt ihn zu keinen Kompromissen.

Als er zu KTM wechselte, traf ihn der Stahlrahmen wie ein kultureller Schock. Er brauchte die komplette Offseason, um überhaupt ein Gefühl dafür zu bekommen. Der Rahmen arbeitete stärker, war lebendiger – aber eben nicht in der Art, die seinem Stil entspricht. Erst auf Kawasaki, zurück im Alu-Universum, wirkte Sexton wieder wie er selbst.

Jorge Prado: Der Flow-Fahrer, der im Alu-Chassis den Rhythmus verlor

Und dann kommt Jorge Prado – der Mann, der seinen Speed nicht über Härte, sondern über Rhythmus, Technik und Kontrolle definiert. Sein Wechsel zu Kawasaki war auf dem Papier ein Mega-Move, doch fahrerisch entpuppte sich das Bike mit dem Alurahmen schnell als sein größtes Hindernis. In spanischen Berichten war deutlich zu lesen, dass sich das Chassis nicht mit seinem Stil vertrug, dass er das Motorrad nicht intuitiv bewegen konnte und dass ihm das natürliche Gefühl komplett verloren ging.

Prado lebt davon, ein Bike rund zu machen, Linien weich zu verbinden und Geschwindigkeit über Flow zu erzeugen. Genau dieses Element kollidierte mit dem starren, direkten Charakter des Alurahmens. Als er zu KTM zurückkehrte, änderte sich sein komplettes Auftreten. Er sprach davon, endlich wieder so fahren zu können, wie es ihm entspricht – ruhiger, kontrollierter, flüssiger. Der Stahlrahmen gibt ihm offenbar sein Vertrauen zurück, weil er mit ihm arbeitet, nicht gegen ihn.

Eli Tomac: Der Mann, der die Regeln bricht

Und genau hier kommt einer ins Spiel, der diesen Gegensatz fast lächerlich wirken lässt: Eli Tomac. Ein Fahrer, der auf der Yamaha mit Alurahmen Meisterschaften gewonnen hat, davor schon auf Kawasaki Titel holte – und der bei seinem allerersten Einsatz auf dem KTM-Stahlrahmen beim zweiten Lauf der WSX-Saison 2025 einfach mal den Sieg einfährt. Keine Eingewöhnungsphase, keine lange Lernkurve, keine „ich muss erst verstehen, wie der Rahmen arbeitet“-Momente. Tomac steigt auf ein völlig anderes Konzept und ist sofort der Mann, den es zu schlagen gilt.

Er ist damit so etwas wie der ultimative Gegenbeweis zu all den Frame-Diskussionen, die seit Jahren geführt werden. Während andere Fahrer Rahmen wie Sprachen behandeln – manche sprechen Alu, manche sprechen Stahl – wirkt Tomac wie jemand, der jede Sprache fließend spricht, egal ob Dialekt oder Hochsprache. Seine Fähigkeit, jedes Motorrad schnell zu machen, wirft die Frage auf: Wie außergewöhnlich muss ein Fahrer sein, um derart unterschiedliche Plattformen auf Anhieb zu dominieren?

Tomac ist nicht der Fahrer, der sich dem Bike anpasst. Er ist der Fahrer, der das Bike zwingt, sich ihm anzupassen – und das auf einem Niveau, das ihn fast schon in eine eigene Liga hebt.

Kurz zusammengefasst: Zwei Rahmenwelten mit klaren Charakteren

Wer die beiden Philosophien auf ihren Kern reduziert, landet bei einer einfachen Wahrheit. Ein Alurahmen steht immer für pure Präzision. Er ist steif, unmittelbar und klar in jeder Rückmeldung. Fahrer, die aggressiv, punktgenau und technisch sauber unterwegs sind, fühlen sich darauf sofort zu Hause. Aber genau diese Steifigkeit macht ihn körperlich anspruchsvoller und unforgiving, besonders auf rauem Terrain.

Der Stahlrahmen dagegen lebt und arbeitet unter dem Fahrer. Er bietet mehr Komfort, bessere Traktion und ein natürliches, weiches Fahrgefühl, das besonders im Outdoor- und Offroad-Bereich den Unterschied macht. Doch derselbe Flex, der manchen Fahrern Flügel verleiht, nimmt anderen die messerscharfe Kontrolle, die sie benötigen.

Kurz gesagt: Der Alurahmen liefert die Ecken und Kanten, die die einen brauchen und die anderen hassen. Der Stahlrahmen liefert das Gefühl und den Flow, der manchen hilft – und andere im Kopf ausbremst. Und irgendwo dazwischen steht Eli Tomac – ein Fahrer, der beide Welten dominiert und damit zeigt, dass es am Ende nicht das Material ist, das Geschichte schreibt, sondern derjenige, der es fährt.

Zwei Philosophien, die unterschiedlicher nicht sein könnten – und trotzdem beide funktionieren

Diese drei Geschichten – Sexton, Prado und Tomac – zeigen deutlicher als jede technische Analyse, dass es im modernen Motocross nicht um „besser“ oder „schlechter“ geht. Alu steht für Präzision, Steifigkeit und einen klar definierten Input. Stahl steht für Flex, Traktion und ein lebendiges, organisches Fahrgefühl.

Die einen brauchen absolute Klarheit, die anderen brauchen Bewegung. Die einen wollen ein Bike, das sofort macht, was man ihm sagt. Die anderen wollen eines, das Unebenheiten mitträgt und dem Fahrer Vertrauen gibt. Sexton kämpfte auf Stahl und blüht auf Alu wieder auf. Prado kämpfte auf Alu und fand sein natürliches Gefühl erst auf Stahl zurück. Beide sind Champion – und beide liegen genau richtig.

Und dann kommt Eli Tomac, der beide Welten einfach ignoriert und beweist, dass man auch jenseits der gängigen Philosophien existieren kann. Er gewinnt auf Alu. Er gewinnt auf Stahl. Er gewinnt überall. Tomac ist der Beweis, dass es Fahrer gibt, die das Motorrad nicht suchen müssen – weil sie es sich einfach formen.

Der Rahmen ist kein Bauteil – er ist Persönlichkeit, Sprache und manchmal auch Grenze

Man kann Tausende technische Diagramme studieren, Interviews hören oder stundenlange Testfahrten analysieren – am Ende entscheidet ausschließlich das Gefühl des Fahrers. Der Rahmen bestimmt, wie ein Motorrad lebt, wie es arbeitet, wie es kommuniziert. Er entscheidet darüber, ob ein Präzisionsfahrer wie Sexton explodiert oder wochenlang gegen ein fremdes Gefühl kämpft.

Genauso entscheidet er darüber, ob ein Flow-Fahrer wie Prado frei atmen kann oder jeden Meter mit dem Bike diskutieren muss. Und er zeigt, wie außergewöhnlich jemand wie Tomac ist, wenn er beide Welten einfach absorbiert und auf jedem Konzept sofort konkurrenzfähig ist.

Deshalb existieren beide Rahmen-Philosophien weiter – weil sie beide ihre eigenen Wahrheiten haben. Weil sie Fahrer auf völlig unterschiedliche Art freisetzen oder begrenzen. Und weil Motocross am Ende genau davon lebt: von Charakteren, die mit Charakteren fahren.

Die Rahmendiskussion wird niemals enden. Aber dank Sexton, Prado und Tomac wissen wir jetzt: Sie ist genauso spannend wie die Rennen selbst.