Mitchell Oldenburg: Ausgeglichenheit als Geheimwaffe
Mitchell Oldenburg zeigte, dass man auch mit einer Beta siegreich sein kann. / Foto: ADAC Württemberg
Mit einem breiten Grinsen steht Mitchell Oldenburg im Fahrerlager von Stuttgart, mitten zwischen Werkzeugkisten, Fans und fremden Gesichtern. Für den 31-jährigen US-Amerikaner ist das Gastspiel beim ADAC Supercross Stuttgart weit mehr als nur ein Zwischenstopp auf dem Weg in die neue Saison. Es ist eine kleine Zeitreise, zurück zu den Anfängen – in Hallenrennen, die ihn an seine Kindheit in Minnesota erinnern.
Der Beta-Werksfahrer, der eigentlich in der Vorbereitung auf die kommende AMA-Supercross-Saison steckt, folgte kurzfristig dem Ruf seines Teams nach Deutschland. Ohne großes Training, dafür mit Neugier und Gelassenheit. Heraus kam ein beeindruckender Auftritt, bei dem Oldenburg mit souveränen Leistungen und professioneller Ruhe überzeugte – trotz Jetlag, verpasster Trainings und Zeitverschiebung.
Mitchell Oldenburg sprach mit mir offen über den spontanen Trip nach Deutschland, den Spagat zwischen Familie und Profi-Alltag und die großen Ziele für 2026. Ein ehrliches Interview mit einem Fahrer, der weiß, was wirklich zählt – Leidenschaft, Balance und Dankbarkeit.
Mitch, wusstest du, dass Oldenburg tatsächlich eine Stadt in Deutschland ist?
Haha, ja, das wusste ich! Mein Vater und mein Opa haben mir mal etwas über unsere Vorfahren erzählt, aber das ist schon ewig her.
Hier im Fahrerlager werden Geschichten ja gerne mal etwas aufgeblasen. Es klang aber fast so, als hätte Beta dir gesagt: “Keine Ausreden – du fliegst nach Stuttgart, fährst und gewinnst, ob du willst oder nicht.” Wie war’s wirklich?
So war es nicht ganz. Beta meinte, sie möchten jemanden hier haben, der in Stuttgart fährt – und ich habe mich über diese Möglichkeit echt gefreut. Natürlich habe ich gefragt, was sie von mir erwarten, und die Antwort war klar: “Wir würden uns freuen, wenn du gewinnst, aber vergiss nicht, dass wir noch eine volle US-Supercross-Saison vor uns haben.”
Ich bin hier um mein Bestes zu geben. Ich will nicht sagen, dass mir das Ergebnis egal ist, aber ich sehe das Ganze hier vor allem als Vorbereitung und persönliche weiter Entwicklung für die kommende AMA-Saison.
Dein Reiseplan während der Saison ist ziemlich voll. Was ging dir durch den Kopf, als du erfahren hast, dass du für ein Rennen nach Deutschland fliegst? Machst du dir Sorgen wegen möglicher Verletzungen oder siehst du jedes Rennen einfach als Teil deines Jobs?
Das Risiko ist natürlich da, aber ich versuche, es aus einer anderen Perspektive zu sehen.
Am Ende des Tages ist das mein Job – Rennen zu fahren – und den will ich so gut wie möglich erledigen. Ich möchte Beta etwas zurückgeben und die Marke bestmöglich repräsentieren.
Der erste Eindruck vom Team war beeindruckend – sie standen ziemlich unter Druck, während du ruhig und professionell geblieben bist und damit echt Gelassenheit ins Ganze gebracht hast. Sogar am Freitagmorgen, als du das erste Training verpasst hast, weil die AMA mit deiner Freigabe zu spät war. Woher kommt diese Ruhe?
Ehrlich gesagt weiß ich das selbst nicht. (lacht) Ich war ziemlich gestresst, als ich hier ankam, und sah wahrscheinlich entspannter aus, als ich wirklich war. Ich versuche einfach, den Stress nicht aufs Fahren zu übertragen – meistens geht’s dann nämlich nur bergab. Deshalb konzentriere ich mich auf das, was ich kontrollieren kann.
Dann bist du rausgefahren, hast die schnellste Quali-Zeit gesetzt und alle Rennen am Freitag gewonnen. Das ist echt stark – ist dir bewusst, wie groß diese Leistung eigentlich ist?
Ja, das ist mir bewusst, und es fühlt sich gut an, so einen Tag zu haben. Das bringt viel Selbstvertrauen und pusht das ganze Umfeld. Aber es blieb nicht viel Zeit, das zu genießen. Ich versuche einfach, das große Ganze zu genießen und mein Bestes zu geben. Man weiß ja nie, ob man so eine Chance nochmal bekommt.
Wie findest du das Zwei-Tages-Format im Vergleich zu den Ein-Tages-Events in den USA?
Ich komme gut damit klar. Ich bin weder ein Fan noch ein Gegner davon – es ist, wie es ist. Auf so einer kurzen Strecke fahren wir sehr viele Runden, obwohl die Sessions gar nicht so lang sind. Das ist schon eine andere Intensität, dazu kommt noch der Zeitunterschied. Donnerstag hatte ich echt Probleme, einzuschlafen – also bringt das Ganze schon einige Herausforderungen mit sich, was die Erholung angeht. Zum Glück gibt’s hier längere Pausen zwischen den Trainings und dem Abendprogramm.
Wie lief der zweite Renntag für dich?
Die Quali lief aus fahrerischer Sicht gut. Meine Runden fühlten sich sauber an, und am Ende fehlte mir mit einem Zehntel Rückstand nur ganz wenig auf die Bestzeit – das war ein bisschen schade. Cedric holte sich die Pole und durfte als Erster ans Gatter, ich musste weiter außen starten. Im Halbfinale konnte ich in der zweiten Rennhälfte nochmal zulegen, was mir ein gutes Gefühl und Schwung fürs Finale gab. Im Endlauf wurde es dann richtig eng: Soubeyras, Luke Clout und ich kamen Seite an Seite in die erste Kurve, ich war außen und musste etwas zurückstecken. Danach konnte ich mich aber schnell wieder nach vorne arbeiten, ein paar Fahrer überholen und das Rennen schließlich auf Platz drei beenden. Etwas Schade im vergleich zu Freitag – aber ich habe das Racing und die Zeit hier genossen. Ich würde mich freuen wenn ich hier nächstes Jahr wieder am Start stehe.
Wie hast du es geschafft, dich so schnell an die enge Strecke zu gewöhnen? Man sieht, dass du Spaß auf dem Bike hast. Hast du Teile mitgebracht, oder war das Motorrad direkt aus dem Laden?
Stuttgart erinnert mich an die Art von Rennen, mit denen ich groß geworden bin. Ich komme aus Minnesota, und im Winter gab’s dort ArenaCross-Rennen in richtig kleinen Hallen. Das ist zwar 20 Jahre her, aber das Gefühl war sofort wieder da. Fürs Bike habe ich meine ECU und den Throttle-Body mitgebracht, damit der Motor einfach sauberer läuft. Außerdem haben wir Gabelbrücken, Fahrwerk, Lenker und Fußrasten dabeigehabt, damit ich mich wohler fühle. Der Rest des Bikes ist im Prinzip wie aus dem Showroom – aber insgesamt ist das Motorrad richtig gut. Es gibt nicht viel, was ich ändern würde. Ein starkes Gesamtpaket, auf dem ich mich sehr wohlfühle.
Ich mag diesen Tech-Talk. Erzähl mir ein bisschen was über die kleinen Unterschiede zu deinem AMA-Supercross-Bike.
Letzte Woche, bevor ich nach Deutschland geflogen bin, kam ein neues Motorenpaket – ein großer Schritt in die richtige Richtung. Ich freue mich schon darauf, zurück nach Texas zu kommen und das neue Bike zu fahren. Der Motor reagiert besser, ist schneller, und das Gefühl vom Gasgriff bis zur Kraftübertragung auf den Boden ist einfach deutlich feiner. Nächste Woche teste ich zu Hause in Texas, bevor es nach Kalifornien zu den Testtagen mit dem Team geht. Ich freue mich darauf, mit dem Team weiterzuarbeiten und uns gemeinsam zu verbessern.
Verfolgst du deine europäischen Beta-Teamkollegen in der MXGP?
Wenn ich ehrlich bin, habe ich das kaum mitbekommen. Ich bin Vater von drei Kids – da bleibt einfach keine Zeit, mir noch andere Rennen anzuschauen. Hier und da sehe ich mal ein paar Highlights, aber am Ende konzentriere ich mich auf meine eigenen Aufgaben. Morgens bin ich Racer, und nachmittags Vater und Ehemann – das ist mein Alltag.
Zum Schluss: Was sind deine Ziele für die Saison 2026?
Ich habe große Ziele. Ich möchte im Supercross konstant in den Top 10 landen – und ich weiß, dass ich das schaffen kann.
Für die Outdoors gibt’s noch keinen konkreten Plan, aber am Ende will ich bei den SMX-Finals dabei sein. Seit Juli trainiere ich mit Zach Osborne – das ist neu in meinem Programm – und bisher läuft es richtig gut, wir machen die gewünschten Fortschritte. Alles in allem will ich mich weiterentwickeln, mein Bestes geben und die Reise genießen.
Ich bin jetzt 31 Jahre alt – und man weiß nie, wie lange man noch auf dem Bike sitzt.
Mit dem Podium in Stuttgart hat Mitchell Oldenburg nicht nur Eindruck hinterlassen, sondern auch wertvolle Rennminuten gesammelt, die ihm beim Feinschliff für die kommende Saison helfen werden. Schon am 10. Januar startet für ihn die große AMA-Supercross-Saison in den USA – sein eigentliches Hauptziel mit dem Beta-Werksteam. Bis dahin heißt es: weiter trainieren, vorbereiten und gesund bleiben. Es bleibt spannend zu verfolgen, wie sich der sympathische US-Boy in seiner Saison mit Beta schlagen wird – die Grundlage dafür hat er in Stuttgart auf jeden Fall gelegt.
