Jorge Prado – Neustart mit Risiko und Hoffnung
Für Jorge Prado ist 2026 ein Jahr in dem es um alles geht. / Foto: Align Media
Gut eine Woche ist es her, dass Red Bull KTM Factory Racing sein Fahreraufgebot für die SMX-Saison 2026vorgestellt hat. Und eines war dabei die große Schlagzeile: Jorge Prado kehrt nach nur einem Jahr bei Kawasaki zurück in die KTM-Familie. Eine Rückkehr, die zwar erwartet wurde – aber auch Fragen aufwirft.
Denn was auf den ersten Blick wie ein logischer Schritt wirkt, hat zwei Seiten: Für Prado ist der Wechsel zu KTM zweifellos ein Rettungsanker, um in den USA wieder in die Spur zu finden. Gleichzeitig aber auch ein Eingeständnis, dass das Abenteuer Kawasaki nicht so verlaufen ist, wie geplant.
Dabei erinnert man sich noch gut an die Lobeshymnen, die Prado zu Beginn seines kurzen Kawasaki-Kapitels über das neue Team, das Umfeld und das Motorrad sang. Er sprach damals von der „perfekten Balance“ und davon, wie sehr ihm die grüne Maschine liege. Nur wenige Monate später folgte das große Drama: Missverständnisse mit dem Team, enttäuschende Ergebnisse – und schließlich der Rückzug. Nun also die Rückkehr zu KTM – ein Schritt, der nach außen Stabilität vermitteln soll, aber auch nach einem Rückzug in die Komfortzone aussieht.
Vertrautes Umfeld, vertraute Antworten
Im Interview mit Josh Mosiman von Motocross Action zeigte sich Prado erleichtert, wieder in gewohnter Umgebung zu sein. „Seit dem ersten Tag hat alles funktioniert“, erklärte er über die ersten Tests auf dem neuen Bike. Alles habe sich sofort „richtig angefühlt“.
Diese Sätze klingen vertraut – fast zu vertraut. Auch bei Kawasaki hatte Prado zu Beginn von einem perfekten Einstand gesprochen. Doch diesmal scheint das Gefühl weniger Euphorie als Erleichterung zu sein: Zurück bei einem Team, das ihn seit Kindheitstagen begleitet, zurück auf vertrautem Terrain.
KTM ist für Prado kein Neuanfang, sondern eine Rückkehr ins Altbekannte. Nach seiner kurzen grünen Episode beginnt 2026 bereits seine 14. Saison in Orange – eine beachtliche Kontinuität, die aber auch die Frage aufwirft, ob der Spanier den Mut zum echten Neuanfang je gefunden hat.
Supercross bleibt Nebensache
Auffällig im Gespräch mit Mosiman war, dass Prado trotz seines anstehenden Supercross-Engagements häufiger über die Outdoor-Saison (Pro Motocross) sprach. Seine Begeisterung galt nicht den engen Hallen und Rhythmussektionen, sondern den weiten, natürlichen Strecken unter freiem Himmel.
„Die Outdoor-Tracks hier sind großartig – die Sprünge, die Vorbereitung, einfach alles“, schwärmte er. Supercross hingegen wurde in seinen Antworten eher zur Pflichtaufgabe. Sein Fokus liege zwar auf der Hallenserie, betonte er, doch seine Leidenschaft klang anders.
Für einen Fahrer, der in den USA langfristig Fuß fassen will, ist das bemerkenswert. Supercross ist dort die Hauptbühne – doch Prado wirkt, als sei er lieber zurück auf den offenen MXGP-Pisten Europas.
Zwischen Marketing und Realität
Technisch vertraut Prado auf Bewährtes. Seine ersten Tests auf der KTM verliefen reibungslos. „Ich habe einfach meine 2024er-Settings montiert, und alles hat perfekt funktioniert“, erzählte er. „KTM ist eben ‚Ready to Race‘.“
Es sind Aussagen, die im KTM-Marketing wunderbar funktionieren, inhaltlich aber wenig Neues bieten. Die Frage, ob er wirklich bereit ist, sich auf das US-System einzulassen – mit seinen kürzeren Trainings, härteren Strecken und mentalem Druck – bleibt offen.
Ein Rückzug in die Komfortzone
Kritiker sehen in Prados Entscheidung vor allem eines: den Rückzug in das, was er kennt. Das Umfeld bei KTM, die vertrauten Abläufe, das Sicherheitsgefühl – all das hat ihn zurückgelockt. Doch wer immer nur dorthin zurückkehrt, wo alles „funktioniert“, läuft Gefahr, sich nicht weiterzuentwickeln.
Während seine Teamkollegen Eli Tomac, Aaron Plessinger und Julien Beaumare längst in der US-Szene etabliert sind, wirkt Prado noch wie ein Gast auf Zeit. Seine Aussagen über „Erfahrung sammeln“ und „Spaß am Fahren“ klingen eher nach Selbstschutz als nach Angriffslust.
Fazit
Jorge Prado ist wieder da, wo alles begann – bei KTM, in Orange, in Sicherheit. Seine Rückkehr wirkt weniger wie der Aufbruch eines Titelanwärters, sondern wie das Comeback eines Fahrers, der nach einem missglückten Experiment Halt sucht.
Wir erinnern uns: Auch der Start bei Kawasaki begann mit Euphorie – und endete in Ernüchterung. Jetzt kehrt Prado zu jener Marke zurück, die ihn groß gemacht hat. Doch die große Frage bleibt: Wird er dort wirklich wieder wachsen – oder nur verweilen?
Eines ist klar: 2026 wird für Jorge Prado kein Jahr des Ankommens, sondern der Bewährung.
